Donnerstag, 12. Januar 2023
Gott hat uns mit sich versöhnt

Unserer Schuld und unseren Sünden müssen wir uns mit allem Ernst und ohne jede leichtfertige Verharmlosung stellen, aber in dem festen Wissen, dass Gott uns mit seiner Versöhnung, mit seiner Liebe immer schon voraus ist. (Foto: andranik123/AdobeStock.com)
So können wir getrost über unsere Schuld sprechen
Über Schuld und Sünde zu reden, fällt vielen nicht leicht. Erst recht wenn es darum geht, andere auf mögliches Fehlverhalten hinzuweisen, so dass diese aus ihren Fehlern eventuell etwas lernen können, ist viel Fingerspitzengefühl gefordert. Oftmals kippt die Stimmung, wenn der Eindruck entsteht, dass alles, was eine Person gemacht hat, schlecht geredet wird.
Auch im Gottesdienst sind es heikle Momente, wenn Fehlverhalten, Schuld oder Sünde angesprochen werden. So ruft beispielsweise der Bußakt bei den Beteiligten unterschiedliche Gefühle hervor. Die einen sind froh, dass Gott als der Barmherzige dargestellt wird, ein Gott, der in der Lage ist, Sünden zu vergeben. Andere sind jedoch irritiert bis verärgert, dass allen Teilnehmenden unterstellt wird, Schuld auf sich geladen zu haben. Die Antworten, die von der Gemeinde gesprochen werden sollen, lösen bei manchen Widerstände aus. Es ist nicht für alle stimmig, von ihrer „großen Schuld“ zu sprechen oder davon, dass sie „nicht würdig“ sind. Was für die einen erhebend ist, reißt die anderen runter.
Klar, bei jedem von uns ist noch „Luft nach oben“, wir könnten alle noch besser sein, noch stärker Jesus nachfolgen, aber müssen wir deshalb unser Leben immer wieder schlecht reden? Hat Gott ein Interesse daran, dass wir uns schlecht fühlen und uns als Sünder betrachten?
Im Evangelium dieses Sonntags wird von der ersten Begegnung Johannes des Täufers mit Jesus berichtet. Als Jesus auf Johannes zukommt, ruft der Täufer: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ Genau diese Worte werden den Gottesdienstteilnehmenden zugerufen, kurz bevor sie Jesus Christus in den eucharistischen Gaben begegnen.
Der Evangelist Johannes beschreibt Jesus als das Lamm Gottes, das Lamm, das mit der Schuld der Welt beladen und dann geopfert wird. Dieses Motiv nimmt er am Ende seines Evangeliums wieder auf, wenn Jesus an dem Tag stirbt, an dem in Jerusalem auch die Opferlämmer geschlachtet werden. Der Prophet Jesaja unterstreicht diese sühnende Funktion Jesu. Der Gottesknecht lädt die Schuld der Menschen auf sich (Jes 53,11). Er wird „zum Licht der Nationen“, damit Gottes „Heil bis an das Ende der Erde reicht“ (Jes 49,6). Somit wird deutlich, dass wir alle nicht als die ewig Schuldigen dastehen, sondern als die Erlösten, deren Schuld durch den Tod Jesu, der all unsere Schuld auf sich genommen hat, bereits gesühnt wurde.
In diesem Bewusstsein, dass Jesus die Sünde der Welt hinweg nimmt und es daher nichts gibt, das uns von Gott trennen kann, unser Leben im Ganzen also von Gott getragen ist, fällt es uns leichter, über einzelne Dinge zu sprechen, die nicht gut gelaufen sind. Gott will, dass unser Leben gut ist. Deshalb mutet er es uns auch zu, über Schuld und Sünde zu reden. Wenn ich darauf vertraue, dass Gott derjenige ist, der mein Leben heil machen will, kann ich mit ihm auch über Dinge sprechen, die sich in meinem Leben zum Guten verändern lassen. Es geht nicht darum, das ganze Leben schlecht zu reden, sondern ehrlich auf einzelne Momente zu blicken, in denen ich hinter meinen Möglichkeiten zurückgeblieben bin. Und das im Angesicht eines wohlwollenden Gottes, der sich mir zuwendet und mir seine Nähe zusagt, noch bevor mir klar ist, was schief gelaufen ist.
Dass wir bleibend mit Gott verbunden sind, wird uns auch in der Taufe zugesagt. Wir treten in eine Beziehung mit Gott, die nicht so einfach wie Wasser verdunstet, wenn es mal heiß hergeht, sondern einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Gottes Geist ruht auf uns, seine Geistkraft steht uns bei, was auch immer kommen mag. Gott will nicht, dass wir uns als ewige Sünder fühlen, sondern legt in all unser Scheitern seine Zusage, dass er für uns da ist. Gott schenkt uns seinen Frieden und Versöhnung. In diesem Glauben können wir Christen eigentlich gelassen über Schuld und Sünde sprechen. (Clemens Schirmer)