Mittwoch, 31. Mai 2023
Verbunden in Liebe und Leben

Die barmherzige Dreieinigkeit. Keramik der Dominikanerin Caritas Müller (geboren 1941) aus dem Kloster Cazis in Graubünden, Schweiz. (Foto: Schwester Juliane Maria Feithen)
Wir sind eingebunden in die Dreieinheit Gottes
Theologinnen und Theologen können nicht rechnen. Genauer gesagt, können wir nicht einmal bis 3 zählen. Warum, fragen Sie sich? Das ist ganz einfach! Wir rechnen „1+1+1= 1“.
Die Dreifaltigkeit oder Dreieinigkeit lässt uns ganz schön blöd aussehen. Aber Spaß beiseite: das Dreifaltigkeitsfest feiert eines der Geheimnisse unseres Glaubens, bei dem wir über die Wissenschaft nicht zu einer vernünftigen Erklärung kommen. Nicht über die Mathematik und auch nicht über die Theologie. Letztlich ist Gott für uns unbegreiflich, Gottes Wesen mit unseren Worten nicht auszusagen, Gottes Liebe mit unserem menschlichen Herzen oder Verstand nicht fassbar. Und doch lässt Gott sich auf uns ein und lädt uns ein, Wege mit ihm zu gehen und immer wieder neu seine Gegenwart zu erfahren. Diese Erfahrung dürfen Menschen machen, die sich umgekehrt auf Gott einlassen und in seiner Weite neues Leben entdecken.
Ewiges Leben, wie unser Text aus dem Johannesevangelium sagt – um uns das zu ermöglichen, hat Gott seinen Sohn in die Welt gesandt, aus Liebe zur Welt und zu den Menschen. Nicht um zu richten, sondern zu retten – die Welt und den einzelnen Menschen. Wer an den Sohn glaubt, wird nicht gerichtet, sondern ist gerettet. Wer nicht glaubt, wird auch nicht gerichtet, sondern ist es schon längst, weil er nicht an den Namen des Sohnes, an den Namen Jesus Christus geglaubt hat.
Vielleicht lässt sich diese Formulierung so verstehen, als würde Gott diesen Menschen, der nicht geglaubt hat, richten, aber der Text sagt das nicht aus. Es ist nicht Gott, der richtet, sondern der Mensch, der nicht glaubt, „ist schon gerichtet“. Das könnte genauso bedeuten, dass ohne den Glauben an den Namen des Sohnes Rettung, also ein heil- volles Leben nicht möglich ist. In seinem Namen liegt die Kraft des Heils.
Eng gefasst, könnten wir meinen, dass alle, die nicht an Jesus glauben, gerichtet sind oder sich gerichtet haben. In einem weiteren Sinn können wir ernst nehmen, was auch, und zwar davor schon, wie eine Überschrift oder eine Grundlage im Text steht: Er kam nicht, zu richten, sondern zu retten.
Das Gericht ist eines der großen Bilder, mit denen Christinnen und Christen über Jahrhunderte Angst gemacht wurde. Es ging darum, zu glauben, zu beten, gute Werke zu tun – um Gott umzustimmen und nicht gerichtet oder verurteilt zu werden. Aber „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ So sehr hat Gott die Welt geliebt… So sehr liebt Gott jede und jeden Einzelnen.
Ob wir das glauben (können) oder nicht, hat auf diese Liebe Gottes keine Auswirkung, denn sie ist längst vor dem Glauben und der Entscheidung des Menschen da. Und die Liebe stellt auch die Verbindung dar zwischen Gott und dem Menschen und auch zwischen Gott und dem Sohn. Die Liebe gehört ins innerste Wesen Gottes: Sie ist die Kraft, die wir im Evangelium des heutigen Dreifaltigkeitssonntags vermissen: die Kraft der „ruach“, des Heiligen Geistes. Ohne sie gibt es nichts von dem, was ist – denn in allem, was ist, fließt ihr Atem. In allem, was ist, atmet sich Gott und atmet auch uns – selbst wenn wir uns dessen nicht (immer) bewusst sind.
Dreifaltigkeit bedeutet demnach Gott, Sohn und die Welt – und dann in der Welt noch der einzelne glaubende oder nicht glaubende Mensch – sie alle, wir alle verbunden durch das Band der Liebe im Heiligen Geist. Ich bin nicht sicher, wie viele Beteiligte Sie zählen. Nach meiner theologischen Rechnung bleibt es bei dem Ergebnis „1“: Gott als die Lebenskraft, die wesentlich und in sich selbst Liebe, Beziehung und Begegnung ist, und der Mensch, den Gott in diese Beziehung und Begegnung hinein holen will. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab, um die Welt zu retten.
Das Keramikrelief „Barmherzige Dreifaltigkeit“ von Schwester Caritas Müller zeigt diese übermenschliche Liebe und Einheit auf anrührende Weise: Da steht oder liegt der Mensch im Mittelpunkt der Zuwendung Gottes, im Mittelpunkt der göttlichen Liebe, die sich hingibt, eines Gottes, der Zuneigung ist, buchstäblich von Kopf bis Fuß, Begegnung und Liebe.
Vielleicht gab oder gibt es auch in Ihrem Leben einen Moment, in dem Sie sich in diese Barmherzigkeit hineingeben und sich von Gott umgeben, berühren, füllen lassen können. Weil Gott uns einlädt, mit und in ihm zu sein – in Zeit und Ewigkeit. (Annette Schulze)