Donnerstag, 10. August 2023
Komplizierte Planungen
Kirchen debattieren über den Verkauf von Gotteshäusern
Die Selbstverpflichtung der Kirchen, klimaneutral zu wirtschaften, erhöht den Druck. Was soll mit alten Gebäuden passieren?
Sie stehen in fast jedem Stadtteil und jedem Dorf, prägen Ortsbilder und wecken Heimatgefühle: Bundesweit gehören der evangelischen oder der katholischen Kirche insgesamt rund 45 000 Kirchengebäude. Nach dem Bauboom der 1950er Jahre zeichnet sich inzwischen eine entgegengesetzte Entwicklung ab: Die Zahl der Christen sinkt. Genauso wie die Zahl der Pfarrer. Daher müssen die Gemeindemitglieder vor Ort oft mit den Planern der Kirchenverwaltung entscheiden, wo die Kirche im Dorf bleibt. Und wo es Zeit für Abschiede ist.
Die Frage nach der Aufgabe von Kirchen ist ein emotional besetztes und daher vermintes Gelände. Kirchenleitungen befürchten offenbar Schlagzeilen wie vor einigen Monaten, als die Zahl die Runde machte, dass bundesweit jede dritte Kirche aufgegeben werden soll. Das wären etwa 15 000.
„Ich beteilige mich nicht an solchen Spekulationen. Für das Erzbistum Freiburg gibt es keine solche Quotenvorgabe“, sagt Linus Becherer, Leiter der Immobilienabteilung im Erzbistum. Man stecke mitten in einem Prozess, in dem die Seelsorge und das kirchliche Leben für die kommenden Jahre neu aufgestellt werden. Frühestens in einigen Jahren werde über den Erhalt oder die Aufgabe von Kirchen entschieden.
1 000 Kirchengebäude seit 1990 aufgegeben
Die Kirchen erhöhen aber selbst Druck durch die Selbstverpflichtung, möglichst schnell klimaneutral zu wirtschaften. Dementsprechend stehen oft hohe Investitionen an – oder der Verkauf. Das trifft in großer Zahl Pfarrhäuser oder Gemeindezentren. Seit den 1990er Jahren wurden in Deutschland etwa 1 000 Kirchengebäude aufgegeben. Bei den wenigsten rollte der Abrissbagger an, meist ging es um neue Nutzungen.
Zukunftsfähige und bezahlbare Konzepte zu finden, ist aber nicht einfach. Viele Bauten sind denkmalgeschützt oder haben kulturhistorischen Wert. Am unverfänglichsten scheint der Umbau zu Kolumbarien – einem Ort zur Bestattung von Urnen. In Leipzig entstand ein Inklusionshotel. In Freiburg wurde eine Kirche zu Eigentumswohnungen. Mancherorts wurden aufgegebene Kirchen in Altenheim-Anlagen integriert.
„Jede Aufgabe einer Kirche, jeder Verkauf ist schwer, aber wir müssen uns von dem Gedanken leiten lassen, was brauchen die Menschen künftig noch“, sagt die leitende evangelische Freiburger Pfarrerin Angela Heidler. Zugleich ist sie sicher, dass geistliche, religiöse Orte auch in der säkularen Gesellschaft gebraucht werden. „Vielleicht aber stärker auch an ungewöhnlichen Orten und nicht nur in Kirchengebäuden.“ (kna)