Mittwoch, 06. September 2023
Miteinander Wege suchen

Zurechtweisen im Sinn Jesu schließt jede Rechthaberei aus, sondern verlangt, miteinander wohlwollend und freundschaftlich zu reden und gemeinsam einen Weg zu suchen. (Foto: caftor/AdobeStock.com)
Wohlwollen muss die Zurechtweisung bestimmen
Wo Menschen zusammenleben und in Beziehungen stehen, kommt es unweigerlich zu Reibereien. Schon immer und zu allen Zeiten. Meinungsverschiedenheiten, Diskussionen, unterschiedliche Wahrnehmungen und Ansichten gehören zu einem Miteinander dazu – ja vielleicht braucht es sie sogar, um voneinander und miteinander lernen zu können.
Schwierig wird es dann, wenn der Umgang mit Meinungsverschiedenheiten persönlich und verletzend wird; wenn ein Streit eskaliert und es nicht mehr nur um die Sache geht. Das zerstört Beziehungen. Denn dort wo Menschen gegen andere Menschen gehen, gegen andere sündigen, dort entfernen sie sich voneinander, dann entfernen sie sich auch von Gott.
Genau an solche Situationen muss ich denken, wenn Jesus seine Jünger – und damit auch uns – auffordert, immer wieder aufeinander zuzugehen und nicht im Streit zu verharren. Er betont dabei die Gemeinschaft und wie wertvoll jeder Einzelne für sie ist: „Wenn eines der 100 Schafe sich verirrt, lässt der Hirte dann nicht die 99 auf dem Berg zurück und sucht das verirrte?“
Das heutige Tagesevangelium schließt sich direkt an dieses Gleichnis an. Jesus konkretisiert die Suche nach dem verlorenen Schaf durch das Aufeinanderzugehen – gerade dann, wenn mir jemand Unrecht getan oder mich verletzt hat: „Wenn dein Bruder – oder deine Schwester – gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn – sie – unter vier Augen zurecht!“
Die Formulierung „zurechtweisen“ ist für uns heute eher negativ belegt, es beinhaltet meist ein überhebliches ‚Ich habe Recht, du aber Unrecht‘. Im Zusammenhang gesehen geht es bei der Zurechtweisung nicht darum, den anderen zu verurteilen. Vielmehr soll ein ehrliches und gleichzeitig gut gemeintes Gespräch unter vier Augen helfen, wieder den „rechten“ Weg zu finden und ein Miteinander zu ermöglichen.
Das Ziel darf nicht sein, den Streit zu gewinnen, sondern den anderen als Freund zurück zu gewinnen. Dieses Ziel ist Jesus so wichtig, dass er uns ermutigt, nicht locker zu lassen, es immer wieder zu versuchen und um den Menschen zu kämpfen.
Kann im Vier-Augen-Gespräch keine Einigung erzielt werden, sollen wir uns Unterstützung aus dem gemeinsamen Lebensumfeld holen, also von Menschen, die beide kennen, die es gut meinen. So können wir uns zum einen selbst vergewissern, auf dem richtigen Weg zu sein, und zum anderen gemeinsam um die „verlorene“ Person kämpfen. Was früher die Gemeinde war, kann heute vielleicht auch die Familie, der Freundeskreis oder ein Verein sein.
Was können mir diese Worte für meinen Alltag sagen? Ich will versuchen, wenn mir etwas sauer aufstößt oder mir das Verhalten anderer weh tut direkt die Initiative zu ergreifen und die Sache unter vier Augen anzusprechen. Manchmal erschrecke ich dabei über mich selbst, weil ich merke, wie viel leichter es ist, über andere zu reden anstatt mit ihnen. Welche Überwindung es kostet, einen Schritt auf den anderen zuzumachen.
Unser christlicher Auftrag ist es – vor allem in Konfliktsituationen – über unseren Schatten zu springen und immer wieder auf die Menschen zuzugehen. Nicht überheblich zu handeln, nicht zu verurteilen, auch wenn dies vielleicht im ersten Moment der einfache, der genugtuende Weg ist. In Jesu Namen zusammenzuleben heißt, um des Menschen willen zu handeln, mein Gegenüber – so schwer es auch sein mag – wohlwollend im Blick zu haben.
Wahrscheinlich gelingt uns das nicht immer und wir müssen es immer wieder aufs Neue üben. Vielleicht wollen wir uns das in der kommenden Zeit bewusst vornehmen. (Marie-Christin Mayer)