Donnerstag, 14. September 2023
Evangelisches Traditionsblatt wird eingestellt
Stolz waren die Pfälzer Protestanten seit fast 177 Jahren auf "ihre" Kirchenzeitung. Doch zum Jahresende ist Schluss für den "Evangelischen Kirchenboten", der unter wirtschaftlichen Problemen leidet. Die pfälzische Kirche zieht nun die Reißleine.
Es war eine lange Zitterpartie, doch nun ist es offiziell: Der „Evangelische Kirchenbote“, Deutschlands älteste Kirchenzeitung, wird Ende Dezember nach 177 Jahren eingestellt. Es sei nicht gelungen, das 1846 gegründete Wochenblatt „in eine finanziell gesicherte Zukunft zu überführen“, wird die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst in einer am 14. September in Speyer verbreiteten Mitteilung zitiert. Schon länger litt der „Kirchenbote“ unter wirtschaftlichen Problemen - nun zieht die unter Spardruck stehende Landeskirche die Reißleine.
Das Aus für die traditionsreiche Sonntagszeitung, die seit 1846 in Speyer erscheint, kommt wenig überraschend: Seit Jahren schon stand die Zukunft des Blattes zur Diskussion. Die pfälzische Landessynode knüpfte zuletzt die Bewilligung weiterer Geldmittel für die Stützung des Blattes an die Auflage einer „schwarzen Null“. Wie bei anderen Zeitungen gehen auch beim „Kirchenboten“ schon länger die Abonnentenzahlen in den Keller - die Leserschaft ist überaltert, neue und jüngere Abonnenten lassen sich kaum gewinnen. Bei einer Auflage von mehr als 7.000 Exemplaren erreicht die Zeitung nach eigenen Angaben wöchentlich rund 18.000 bis 20.000 Leserinnen und Leser zwischen Rhein und Saar.
Auch Versuche der Landeskirche, den „Kirchenboten“ durch Erträge ihres Evangelischen Presseverlags ein Stück weit zu finanzieren, waren nicht erfolgreich. Erst zum Jahresbeginn hatte die Landeskirche die Trägerschaft von dem zuvor aufgelösten Evangelischen Presseverband in der Pfalz e.V. übernommen. Nicht retten konnte die Zeitung auch eine seit Anfang des Jahres bestehende Zeitungskooperation mit vier anderen evangelischen Landeskirchen. Die Idee einer ökumenischen Zusammenarbeit mit „der pilger“ gab es, sie kam aber nicht zustande. Die Redaktion des „Kirchenboten“ soll nun in das Medien- und Öffentlichkeitsreferat der Landeskirche in Speyer überführt werden.
Das Ende für die Kirchenzeitung kommt auch im Zuge der Neuausrichtung der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Pfälzer Kirche. Diese setzt zukünftig einen Schwerpunkt auf die Mitgliederkommunikation vor allem über digitale Wege wie einen Newsletter. Schmerzlich sei es, dass die Landeskirche dadurch den medialen Kontakt vor allem zu älteren Menschen verlieren werde, die noch „analog unterwegs“ seien, räumte Kirchenpräsidentin Wüst gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) ein. Der „Kirchenbote“ habe in wohlwollender, aber kritischer Distanz das kirchliche Leben in der Pfälzer Kirche begleitet. Für die evangelische Publizistik in Deutschland sei dessen Aus ein Verlust.
„Das Ende des 'Kirchenboten' tut weh, die Redaktion ist enttäuscht, dass es nicht weitergeht, vor allem, weil zuletzt viel Energie in das neue Format gesteckt worden ist“, sagte Redaktionsleiter Florian Riesterer. Der 42-Jährige übernahm das Amt Ende 2022 von Hartmut Metzger, der fast drei Jahrzehnte lang Chefredakteur des „Kirchenboten“ war.
Der pfälzische Altkirchenpräsident Eberhard Cherdron zeigte sich traurig über „das Ende einer wichtigen Informationsquelle über das Leben in unserer pfälzischen Kirche“. Die Entscheidung der Landeskirche komme für ihn nicht überraschend, sagte der langjährige Vorsitzende des Evangelischen Presseverbandes in der Pfalz dem epd. „Der Rückgang der Abonnentenzahlen in den vergangenen 15 Jahren um mehr als die Hälfte, trotz aller großen Anstrengungen der Verantwortlichen, macht dies notwendig.“ Er sei gespannt, ob es gelinge, mit den „neuen Medien“ vergleichbare Alternativen zu entwickeln, sagte Cherdron.
Der „Evangelische Kirchenbote - Sonntagsblatt für die Pfalz“, dessen erste Ausgabe am 3. Oktober 1846 erschien, war bis weit in das 20. Jahrhundert hinein ein Richtungsblatt kirchlich-konservativer Kreise. In den 1970er Jahren öffnete sich die Kirchenzeitung, die in der NS-Zeit gleichgeschaltet wurde, zu einem volkskirchlichen Blatt, das konservative und liberale Strömungen vereinte. (Alexander Land/epd)