Mittwoch, 04. August 2021
Barbara Guajardo Toro und Stefan Angert engagieren sich ehrenamtlich bei der Aktion des Heinrich Pesch Hauses „Mahlzei!t LU“ (Foto: Konrad)
Am 6. April 2020 startete „Mahlzei!t LU“. Das Heinrich Pesch Haus (HPH), selbst von der Corona-Krise stark betroffen und geschlossen, folgte seinem ureigenen Auftrag als christliche Institution und nutzte die Küche des angeschlossenen Hotels, um für bedürftige Menschen ein kostenloses warmes Mittagessen zuzubereiten. Bislang wurden mehr als 37 300 Mahlzeiten ausgegeben, täglich sind es durchschnittlich 100. Barbara Guarjardo Toro und Stefan Angert halfen von Anfang an ehrenamtlich mit und berichten im Gespräch mit Tobias Zimmermann, dem Direktor des Heinrich Pesch Hauses, von ihren Erfahrungen und den Auswirkungen der Pandemie auf bedürftige Menschen.
Wer nutzt das Angebot von „Mahlze!t LU“?
Stefan Angert: Es kommen Menschen, die schon länger in Not sind ebenso wie Menschen, denen man die Notlage nicht ansieht. Viele kommen aus den ärmeren Stadtvierteln rings um das Heinrich Pesch Haus. Einige nehmen aber auch deutlich längere Wege auf sich, um eine warme Mahlzeit zu bekommen. Viele Leute sind von Anfang an dabei. Im letzten Sommer und Herbst kamen dann immer wieder neue.
Barbara Guajardo Toro: Es hat mich sehr erschüttert, dass Menschen 50 Kilometer fahren, um Essen zu besorgen.
Wir sind froh, da ohne Bürokratie und Nachweise der Bedürftigkeit helfen zu können, gerade auch den Menschen, bei denen das Polster geschmolzen ist...
Barbara Guajardo Toro: Auch jetzt kommen immer wieder neue Leute. Es erschreckt mich gerade, dass die Leute immer jünger werden, junge Erwachsene um die 40, die haben einfach nichts mehr.
Stefan Angert: Für uns gilt, nicht zu urteilen, ob jemand „Mahlze!t LU“ braucht oder nicht. Jeder könnte in so eine Situation kommen, und wir wären dann auch froh, so ein Angebot nutzen zu können.
Was macht Corona mit diesen Menschen? Was bedeutet die Pandemie für Bedürftige?
Stefan Angert: Wir haben beobachtet, wie sich etliche Personen verändert haben. Manchen geht es viel schlechter, das ist ihnen anzumerken. Es ist bedrückend, das zu sehen.
Barbara Guajardo Toro: Aber Corona ist nicht der Auslöser für die Situation der Leute, Corona hat die Situation verschärft und zwar drastisch. Wir können mit der Essensausgabe nur einen Teil abfangen. Als es im vergangenen Sommer heiß wurde, konnten sich die Menschen zum Teil kein Trinkwasser besorgen.
Stefan Angert: Neben der Essensausgabe sind ja auch andere Angebote in der Pandemie ausgeblieben. Die Stadtbücherei war geschlossen, dort lesen viele die Zeitung, können ihr Handy laden, Trinkwasser abfüllen oder die sanitären Anlagen nutzen. Die Essensausgabe ist für viele zum Treffpunkt geworden und zum Austausch darüber, wo es welche Angebote gibt.
Was hat Sie bewogen, am Wochenende die Essensausgabe zu übernehmen?
Stefan Angert: Ich habe den Aufruf in der Pfarrei-Info gelesen. Da stand für mich schnell fest, dass ich mich engagiere. Gut, dass Kirche sieht, wo Hilfe von Nöten ist.
Barbara Guajardo Toro: Bei mir war es eine E-Mail des Dekans. Es ist für mich fast wie eine Ehre, bei „Mahlze!t LU“ mitmachen zu können. Genau das ist mein Anspruch an Kirche: Jetzt vor Ort präsent zu sein, nah bei den Menschen.
Wie erleben Sie die Essens- ausgabe?
Stefan Angert: Ich freue mich auf die Dienste. Man kommt oft mit den Leuten ins Gespräch. Sie sind nett und dankbar. Wir sprechen auf Augenhöhe miteinander. Auch mit den Köchen haben wir ein gutes Verhältnis. Es ist eine schöne Atmosphäre.
Barbara Guajardo Toro: Viele schätzen bei „Mahlze!t LU“ das Angenommensein, das Gesprächsangebot. Da ist Solidarität, man fühlt sich zugehörig. Und ganz oft bekomme ich Gottes Segen ausgesprochen.
Mich hat sehr bewegt, wie viele Menschen, Vereine und Gemeinden uns unterstützen. Denn „Mahlze!t LU“ ist ausschließlich über Spenden finanziert. Und ohne Sie als Ehrenamtliche hätten wir die Aktion nicht stemmen können.
Barbara Guajardo Toro: Wir Helfer sind eine Gemeinschaft geworden. Vergessen Sie nicht die vielen Leute im Hintergrund, die ebenfalls helfen. Da sind Mützen, Schals und Strümpfe gehäkelt worden, Obst und Nikoläuse für Weihnachten gekauft oder über 1 000 Gläser Marmelade gekocht worden.
Ich habe den Eindruck, da ist etwas wie eine neue Form, Gemeinde zu leben, entstanden...
Stefan Angert: Ja, genau, die Essensausgabe war mein Gottesdienst. Die Arbeit erfüllt mich total. Das ist genau das, was Kirche ist.
Was wünschen Sie sich für die Menschen, die zu „Mahlze!t LU“ kommen?
Barbara Guajardo Toro: Eine Einrichtung, wo sie sich tagsüber aufhalten und informieren können. Es geht ja nicht um nur die Finanzen, sondern auch um die emotionale Seite und die Gesundheit.
Stefan Angert: Von Kirche würde ich mir wünschen, dass sie – genau wie hier – die Bedürfnisse der Menschen sieht und aktiv wird. Das ist gelebtes Christentum.