Freitag, 17. Juni 2022
Die Waldwichtel über die Lieder für den Gottesdienst anlässlich des Jubiläums, das der Waldkindergarten am 11. Juni mit einem großen Fest gefeiert hat. (Foto: Kraus)
Vor 25 Jahren war es ein absolutes Novum: Die Speyerer katholische Kindertagesstätte St. Joseph hat eine Außenstelle im Wald eingerichtet, den ersten Waldkindergarten in Rheinland-Pfalz. Noch heute sind die Erzieher und Erzieherinnen von dem Konzept begeistert und die Kinder erst recht.
Die ersten Waldkindergärten gab es 1994 in Dänemark, erzählt Andrea Leibig, die zu der Zeit Erzieherin in der katholischen Kita St. Josef war. In der Fachliteratur sei damals viel darüber zu lesen gewesen und zusammen mit ihrer damaligen Kollegin Michaela Neumann habe sie alles mit großem Interesse verfolgt.
Als dann 1996 der Rechtsanspruch für Kinder ab drei Jahren auf einen Kindergartenplatz kam und dafür neue Gruppen eingerichtet werden mussten, die Stadt Speyer dafür aber nicht genug Räume hatte, sahen Leibig und Neumann die Chance für eine Waldkita gekommen. Sie hospitierten in Waldkitas in anderen Bundesländern, denn in Rheinland-Pfalz gab es so etwas noch nicht, und schrieben eine Konzeption. „Der damalige Leiter des Jugendamts, Ernst Fuchs, und der Förster Uwe Fehr waren begeistert. Auch der damalige Pfarrer von St. Josef, Hubert Ehrmantraut, ermutigte die Erzieherinnen, die er schon seit ihrer Jugend als engagierte KJG-Mitglieder kannte, ihr Vorhaben umzusetzen.
So ging es also 1997 los, zunächst als begleitetes Modellprojekt für ein Jahr. Inzwischen besuchen 40 Kinder die Waldkita. Die fünf Stellen für pädagogische Fachkräfte teilen sich drei Männer und drei Frauen, dazu kommt noch ein Auszubildender.
Die Kinder sind den ganzen Tag im Wald, bei jedem Wetter. Bei Hitze und Kälte, Regen und Sonnenschein. Nur bei Sturm oder Gewitter sind sie ausnahmsweise einmal in geschlossenen Räumen. Entweder, wenn es planbar ist, in den Räumen der Kita St. Josef in der Innenstadt oder in dem Haus auf dem Gelände der Walderholung, das die Kita anmieten konnte. Hier findet auch der Frühdienst statt und der Caterer bringt das Mittagessen dort hin.
Andrea Leibig erzählt, wie der Alltag in einer Waldkita aussieht. Ab 7.30 Uhr können die Kinder gebracht werden, spätestens um 8.30 Uhr müssen alle da sein, denn dann geht es ab in den Wald zum Begrüßungsplatz.
Im Wald haben die Kinder noch fünf bis sechs weitere feste Plätze, wie das Waldsofa, den Tipi-Platz, und den kleinen Sandberg – einen riesigen „Outdoor-Sandkasten“. Seile, ein paar Eimer und Sandschaufeln sind immer im Bollerwagen dabei. Und Bilibos – das sind Schalen, auf die man sich setzen, andere Kinder ziehen, im Wintern rutschen und Schaukeln damit bauen kann. Die wichtigsten Spielzeuge finden die Kinder allerdings im Wald. Stöcke, Sand, Nadeln, Rinde. „Der Wald ist eine große Schatzkiste“, finden sie. „Die Kinder haben eine Wahnsinns-Phantasie, sie erfinden immer neue Spiele und sie nehmen den Wald mit allen Sinnen wahr“, sagt Barbara Cifci, die Leiterin der Kita St. Josef.
„Alles, was im Haus geht, geht auch im Wald“, sagt Leibig. Man müsse es nur planen und das, was man für den Tag braucht, in den Bollerwagen packen. Wenn sie malen möchten oder mit Magneten experimentieren, werden eben die entsprechenden Sachen eingepackt. Wenn sie sich einen Fahrzeugtag wünschen, werden Fahrzeuge von zu Hause mitgebracht. Die Kinder überlegen sich jeden Tag, was sie am nächsten machen möchten. „Was man vergessen hat, ist eben nicht da“, sagt Leibig.
Natürlich müssen sich die Kinder auch an Regeln halten: Oberstes Gebot: Es wird nichts in den Mund genommen. Vor dem Essen werden die Hände gründlich gewaschen. Blätter und Pflanzen werden bewundert, aber nicht abgerissen. Um 14 Uhr endet die Betreuung. Mehr geht nicht, denn dann sind die Kinder erschöpft, schließlich sind sie den ganzen Tag an der frischen Luft, und gerade wenn es kalt ist, ständig in Bewegung. (Christine Kraus)