Mittwoch, 18. Januar 2023
Manch einer im Vatikan wünscht sich, dass er geschwiegen hätte: Erzbischof Georg Gänswein (Foto: kna/Harald Oppitz)
Das Buch zeigt auf, welche Gefahren das Miteinander von zwei Päpsten haben kann.
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. war noch nicht begraben, da tauchten in italienischen Medien schon die ersten Auszüge aus den Memoiren des langjährigen Privatsekretärs Georg Gänswein auf. Gleich mehrere Kardinäle und Erzbischöfe mahnten daraufhin, Gänswein solle besser schweigen.
Bei Lektüre des 336-Seiten-Werkes wird deutlich, worin die Brisanz der Memoiren besteht. Sie handeln vom Miteinander und Nebeneinander eines emeritierten und eines amtierenden Papstes. Deshalb spielen dort vor allem politische, kirchenrechtliche und dogmatische Aspekte eine wichtige Rolle.
Gänswein versucht, all jenen traditionell-katholischen Ultras die Basis für ihre Argumente zu entziehen, die meinen, dass Benedikts Rücktritt regelwidrig war und die Wahl von Franziskus deshalb nicht rechtsgültig gewesen sei. Zudem versucht er, die Behauptung zu widerlegen, dass der frühere Papst eine Art konservative Opposition betrieben habe. Ausführlich schildert er ab dem Tag der Wahl die Ergebenheitsadressen des alten Papstes an den neuen, die herzlichen Begegnungen der beiden, den Austausch von Süßigkeiten als Gastgeschenke.
Persönliche Verletzung
Vor allem unterstreicht er, dass der alte Papst all jene aus seinem Wohnzimmer hinauskomplimentiert habe, die zu ihm kamen, um sich über den neuen Papst zu beklagen.
Er verschweigt aber auch nicht, dass es einige Male auch handfeste Meinungsverschiedenheiten gab. Eine davon wirkte sich auf Gänsweins Stellung aus: die Affäre um eine Buchveröffentlichung des konservativen Kardinals Robert Sarah.
Dieser nutzte einen Gastbeitrag des alten Papstes gegen eine Liberalisierung des Zölibats aus, um eine Ko-Autorenschaft Benedikt/Sarah für ein Buch mit stramm konservativen theologischen Thesen zu behaupten. Weil es Gänswein nicht gelang, das Manöver zu verhindern, sagte ihm der Papst, er solle seine repräsentative Rolle am Päpstlichen Hof ruhen lassen.
Jenseits der persönlichen Verletzung zeigt die Episode: Solange der Papa emeritus noch sprech- oder schreibfähig ist, besteht die Gefahr, dass er von jenen ausgenutzt wird, die weiter an seiner theologischen Linie hängen und mit der des neuen Papstes fremdeln.
Solche Haarrisse an der Kirchenspitze haben das Zeug, sich zu Spaltungen auszuweiten. Das ist der Hauptgrund, warum das Buch im Vatikan so viel Wirbel macht. Der zweite ist der Eindruck, dass da jemand ungebührlich viel Hintergründiges und Persönliches ausgeplaudert habe – und das auch noch zum falschen Zeitpunkt. (Ludwig Ring-Eifel)