Donnerstag, 16. Oktober 2014
Individuelle Freiheit im Technikzeitalter erhalten

Der Informatiker und Künstler Jaron Larnier wurde mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Foto: actionpress
Informatiker und Künstler Jaron Lanier mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet
Der amerikanische Informatiker, Musiker und Schriftsteller Jaron Lanier ist in diesem Jahr mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Die Verleihung fand in der Frankfurter Paulskirche statt. Die Laudatio hielt der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz.
„Im Kern geht es bei der vor Jahren auch von Jaron Lanier angestoßenen Debatte darum, ob es der Menschheit gelingt, die Individualität des Einzelnen und damit seine Freiheit zu erhalten, ohne die Vorteile der digitalen Welt zu verlieren, oder ob wir uns in immer größere Abhängigkeit von Maschinen begeben und der Mensch zum Algorithmus wird“, sagte Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins. „Jaron Lanier begnügt sich nicht mit der Rolle des Analysten und Mahners, sondern er entwickelt Lösungen, wie wir der Gefahr dieser Abhängigkeit von Technik und Maschinen Herr werden können.“ Es sei dieses Streiten für eine Gesellschaft, die dem Menschen dient, das ihn mit den anderen Friedenspreisträgern verbindet.
„Gut, dass Jaron Lanier heute diesen Preis erhält“, sagte Martin Schulz in seiner Laudatio. „Er bekommt ihn auch stellvertretend für alle, die diese wichtige Debatte über die digitale Zukunft führen. (…) Denn der Aushandlungsprozess, in dem wir uns derzeit befinden, die Frage also, welche digitale Vision sich im 21. Jahrhundert durchsetzen wird, ist eine Frage des Friedens. Sie betrifft uns alle. Sie entscheidet über unsere zukünftige Freiheit, über Gerechtigkeit und ob wir in einer humanen, solidarischen, pluralistischen und kreativen Welt leben werden.“ Es gibt keine Trennung zwischen analoger und digitaler Welt, meint Schulz. „Bei fast allen sogenannten Netz-Fragen geht es im Wesentlichen um gesellschaftspolitische Fragen, die wir schon in der analogen Welt kannten. Deshalb ist es nicht entscheidend, was Netzpolitiker oder Netzaktivisten sagen, sondern auch derjenige, der kein Digital Native ist, hat ein Mitspracherecht in dieser Diskussion. Denn wenn wir diese Fragen allein den technischen Experten, den Programmierern und Nerds überließen, lebten wir in einem selbstreferentiellen System, es käme zur Herrschaft der Ingenieure und Mathematiker, zu einer Expertenregierung im Platonschen Sinne. Das wäre dann sicher keine Demokratie mehr.“
Lanier sprach sich in seiner Dankesrede für die Synthese aus dem Besten der prä-digitalen und der digitalen Systeme aus. Er plädierte für einen neuen Humanismus: „Der neue Humanismus ist, wie früher, der Glaube an den Menschen, doch speziell in der Form einer Ablehnung von künstlicher Intelligenz. Das hieße nicht, irgendeinen Algorithmus oder roboterhaften Mechanismus zu verwerfen. Jeder einzelne vermeintlich künstlich intelligente Algorithmus kann genauso gut als nicht-autonome Funktion verstanden werden, die dem Menschen als Werkzeug dient. Diese Ablehnung gründet nicht auf dem irrelevanten Argument, das häufig vorgeschoben wird, nämlich den Grenzen der Möglichkeiten, sondern vielmehr darauf, dass es immer Menschen geben muss, um einen Computer wahrzunehmen, damit er überhaupt existiert. Ohne Menschen sind Computer Raumwärmer, die Muster erzeugen“, so Lanier. (red)