Mittwoch, 03. September 2025
Caritasverband in Schieflage

Bilden den Vorstand des Caritasverbandes: Markus Bennemann und Caritasdirektorin Barbara Aßmann. Foto: Klaus Landry/Bistum Speyer
Große Herausforderungen und Veränderungen für Caritas und Bistum in Speyer.
Ein Helfer, der nun selbst auf Hilfe angewiesen ist: Das gilt für den Caritasverband für die Diözese Speyer e.V., dessen Verantwortliche bei einem Pressegespräch am 2. September über große Herausforderungen und anstehende Veränderungen berichteten.
Der Caritasverband ist in eine finanzielle Schieflage geraten. Theo Wieder, der Vorsitzende des Caritasrates (Aufsichtsrat), sprach bei einem Haushaltsvolumen des Verbandes von rund 180 Millionen Euro von einem „siebenstelligen negativen Betrag“. Das Jahresergebnis 2024 sei deutlicher schlechter als das von 2023, das ebenfalls bereits negativ ausfiel. Eine Insolvenz wollte Wieder aber nach entsprechenden Prüfungen ausschließen. „Wir sind nicht in der Situation, dass eine Insolvenz droht“, betonte der Jurist. Dies sei auch durch die Hilfe des Bistums Speyer abgewendet worden.
Dessen Generalvikar Markus Magin machte deutlich, dass die Caritasarbeit ein Wesensmerkmal der Kirche ist. „Ohne diese Arbeit gibt es keine Kirche.“ Daher stehe auch das Bistum Speyer vor Herausforderungen, wenn sein Caritasverband in Schwierigkeiten stecke. „Aufgrund der Bedeutung der Caritasarbeit werden wir den Caritasverband nicht hängen lassen.“ Auch wenn das Bistum selbst ganz genau nach seinen Finanzen schauen müsse, werde es finanzielle Unterstützung leisten und in enger Abstimmung helfen. „In welcher Höhe die Finanzhilfe ist, kann ich noch nicht sagen.“
Derzeit laufen verschiedene Prüfungen und Beratungen auch über die in den vergangenen 20 Jahren gewachsene Struktur des Caritasverbandes und seiner Tochterunternehmen. Dafür hat sich der Verband seit Mai die Hilfe der Beratungsfirma TMC Turnaround Management Consult geholt. Krisenmanagement, Restrukturierung und Sanierungsberatung zählen zu den Schwerpunkten des Dortmunder Unternehmens. Wahrscheinlich, so Wieder, werden sich die Analysen von TMC noch bis Jahresende hinziehen. Sie sollen dann in Planungsrechnungen für 2025 und 2026 münden. Erste Erkenntnisse und Jahresergebnisse der Vorjahre werden, wenn die unabhängige Wirtschaftsprüfung sie bekräftigt hat, auf der ausstehenden Vertreterversammlung des Caritasverbandes in einigen Wochen berichtet, wie Caritasdirektorin Barbara Aßmann ankündigte.
Aßmann berichtete auch über die vielfältigen Gründe für die finanziellen Schwierigkeiten des Verbandes. Neben internen Herausforderungen wie die Digitalisierung vieler Abläufe und die Umstellung von Software ist der Personalmangel in den Einrichtungen Teil der angespannten Lage: „Wenn wir nicht alle Stellen besetzt haben, können wir die Menschen nicht betreuen. Also müssen wir auf teures Leasingpersonal setzen, das uns bis zweieinhalbmal so viel kostet wie unser eigenes Personal.“ Von den staatlichen Kostenträgern werden diese Mehrkosten allerdings nicht übernommen. Die Alternative, dann eben nicht alle Pflegeplätze zu vergeben, bedeute eine Wahl zwischen Pest und Cholera: „Denn dann verursachen die freien Pflegeplätze Defizite.“ Ein Problem sei auch, dass der Verband stets in Vorleistung treten muss. „Erst im Nachgang erhält die Caritas für die erbrachte Leistung ihr Geld, und das kann lange dauern.“ Dazu kämen immer wieder neue gesetzliche Vorschriften: Datenschutz, Nachhaltigkeit, Arbeitssicherheit und anderes. „Wir müssen immer wieder investieren, aber das wird nicht abgegolten.“
Informiert wurde über einen personellen Wechsel: Auf eigenen Wunsch verlässt Vinzenz du Bellier den Vorstand des Caritasverbandes. Der 65-jährige - seit 2009 im Vorstand und seit 2022 Vorstandsvorsitzender - hat um Beendigung seines Vertrages vor dessen regulärem Ablauf gebeten, wie Caritasrats-Vorsitzende Wieder mitteilte. Die frei gewordene Stelle solle in Kürze ausgeschrieben werden. „Wir gehen davon aus, die Stelle in etwa sechs bis acht Monaten wieder besetzt zu haben“, so Theo Wieder. Weiterhin gehört dem Caritas-Vorstand Barbara Aßmann an. Außerdem wird es mit Markus Bennemann einen „Interims-Vorstand“ geben. Bennemann ist Partner des beauftragen Beratungsunternehmens TMC. Der 55-jährige Betriebswirt berichtete aus seiner bisherigen Tätigkeit für Pflegedienste, Kliniken und Altenpflegeheime. „Wir waren dabei stets mit dem steigenden Kostendruck konfrontiert. Das ist etwas Branchenübliches und gilt nicht nur für die Caritas in Speyer.“
Bennemann formulierte ein Maßnahmenpaket, in dem es darum gehe, alles auf den Prüfstand zu stellen, um „gut über die nächsten Monate zu kommen“. Zum Nachrechnen brauche es nun monatliche oder wöchentliche Zahlungsanalysen. Die teure Leiharbeit sei in den Einrichtungen gestoppt worden, nur im Notfall werde davon abgesehen. Für die Speyerer Caritas-Zentrale gelte ein Einstellungsstopp. Über eine Schließung von Einrichtungen sei hingegen nichts entschieden. „Wo nötig, muss mit den Kostenträgern nachverhandelt werden. Wir werden dabei alle Hebel in Bewegung setzen.“ Und: „Wir haben ein tolles und wichtiges Angebot, für dass es hohe Nachfrage gibt.“ Das grundlegende Problem sei, dass die sozialen Angebote nicht hinreichend finanziert seien. „Und es ist tragisch, dass wir unserem Geld ständig hinterherrennen müssen.“
Dass sich auf politischer Ebene in Bund, Ländern und Kommunen endlich etwas tun muss, formulierten auch Caritasdirektorin Aßmann und Generalvikar Magin. Ein Verbot oder eine Begrenzung von Leiharbeit im Pflegebereich und die hinreichende Finanzierung von sozialen Leistungen würden immer wieder in Gespräche mit der Landesregierung eingebracht. Um Einfluss und Stimmen zu bündeln, setzt die Speyerer Caritas auf eine enge Zusammenarbeit mit den anderen Caritasverbänden in Rheinland-Pfalz. „In diesen politischen Fragen betreibt die Caritas Lobbyarbeit für Menschen, die selbst keine Lobby haben", so Aßmann. Und Markus Magin sprach von einem nötigen Mix aus „Langstreckenlauf“ in der politischen Arbeit und einem „kurzen Sprint“ zur Stabilisierung der Caritas-Arbeit im Bistum Speyer.
Zum Speyerer Diözesan-Caritasverband gehören unmittelbar 40 eigene Einrichtungen: eine Schule, 15 Altenzentren, mehrere Caritas-Zentren mit Beratungsstellen, Caritas-Förderzentren, Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, Sozialkaufhäuser sowie Einrichtungen der Jugendhilfe. Beim Caritasverband und in seinen Häusern arbeiten rund 3500 Frauen und Männer. Dazu übernimmt der Verband die politische oder spitzenverbandliche Vertretung für zahlreiche weitere Einrichtungen zwischen Rhein und Saar, deren Träger er nicht selbst ist. In diesen Einrichtungen arbeiten rund 18.000 Menschen zum Wohl anderer. (Hubert Mathes)
Zur offiziellen Pressemeldung des Caritasverbandes und des Bistums geht es hier.