Montag, 15. September 2025
„Der Mensch verschwindet“

Für die Friedhöfe und die Begräbniskultur werden vielfältige Folgen des neuen Gesetzes erwartet. (El Paparazzo/AdobeStock.com)
Das neue rheinland-pfälzische Bestattungsrecht sorgt bei den Bistümern im Land für Kritik. Trauerseelsorgerin Marie-Christin Mayer erläutert die wesentlichen Knackpunkte und welche Chancen sich für die Kirche ergeben
Für die einen ist es ein längst überfälliger Schritt, für die anderen ein Angriff auf die Menschenwürde. Am 11. September wurde das neue rheinland-pfälzische Bestattungsrecht mit den Stimmen der Ampelkoalition und der AfD im Mainzer Landtag verabschiedet. Voraussichtlich im Oktober tritt es bereits in Kraft.
Im Kern sieht es neben der Erd-, Feuer- und Seebestattung weitere Bestattungsformen vor. So ist es nun sowohl möglich, die Asche vom Schiff aus auf dem Rhein, der Mosel, der Lahn und der Saar als auch außerhalb des Friedhofs zu verstreuen, etwa im eigenen Garten, oder sie an Hinterbliebene auszuhändigen. Wer Asche seines Angehörigen mit sich führen möchte, kann sie zu einem „würdevollen“ Erinnerungsstück (beispielsweise als Schmuckstein oder in einer Keramik) weiterverarbeiten lassen. Voraussetzung für eine dieser alternativen Bestattungsformen ist eine schriftliche Zustimmung des Verstorbenen inklusive einer Person, die für die Totenfürsorge benannt wird.
Das neue und bundesweit liberalste Bestattungsrecht, das eine Abkehr von der Friedhofspflicht bedeutet, sorgte bereits seit Monaten für heftige Diskussionen, auch von Seiten der Kirchen. Ende Juni hatten die Bistümer Mainz, Trier, Speyer, Limburg und Köln zum neuen Gesetz Stellung genommen. Die gemeinsamen Erklärung wurde über das Katholische Büro in Mainz in den Gesundheitsausschuss des Landtages eingebracht.
Stellungnahme der Bistümer
Marie-Christin Mayer gehörte der diözesen-übergreifenden Arbeitsgruppe an, die sich mit dem Gesetzentwurf beschäftigte und das 25 Seiten starke Papier gemeinsam konzipierte. Die Pastoralreferentin ist seit Februar dieses Jahres mit einer halben Stelle für die Trauerseelsorge in der Diözese Speyer zuständig. Sie kann dem neuen Gesetz einiges Positives abgewinnen. „Es nimmt die Bedarfe der Menschen in den Blick“, hebt sie hervor. So sei es nun etwa möglich, dass sogenannte Sternenkinder – Babys, die vor der 24. Schwangerschaftswoche sterben oder mit weniger als 500 Gramm tot zur Welt kommen – bestattet werden können. Richtig findet sie es auch, „dass der Beisetzungsort eines Menschen nicht mehr von seinem Wohnort abhängig ist, sondern dieser auch auf dem Friedhof einer Gemeinde bestattet werden kann, in der ein naher Angehöriger lebt“.
Kritisch sieht die Pastoralreferentin, „dass der Mensch von der Bildfläche verschwindet, wenn die Asche des Verstorbenen verstreut wird“. Diese anonyme Form der Bestattung stehe in Spannung zum Gedanken der einmaligen Würde dieser Person. Hinzu komme, dass das Verstreuen nicht auf ein Verbleiben der Totenasche an diesem Ort, sondern auf das Verschwinden, Vergehen und Verwehen angelegt sei. Doch es brauche einen Ort, an dem die Angehörigen trauern können. Dies sei vielen von ihnen wichtig, weiß Marie-Christin Mayer aus Erfahrung. Dass die Ruhefrist der Urne im Vergleich zum vorherigen Gesetz von 15 auf fünf Jahre verkürzt wird, wertet sie im Hinblick auf den Gedenk- und Trauerprozess ebenfalls als nicht akzeptabel, da bereits nach einem so kurzen Zeitraum keine sichtbare Grabstätte mehr bestehe.
Die Bedenken der rheinland-pfälzischen Bistümer und weiterer Gruppen wie etwa der Bestatter haben zumindest an der ein oder anderen Stelle Wirkung gezeigt. So ist es entgegen des ursprünglichen Gesetzesentwurfes den Hinterbliebenen weiterhin möglich, sich am offenen Sarg zu verabschieden.
Marie-Christin Mayer sieht in dem neuen Bestattungsgesetz die Chance für die Seelsorger, mit Menschen über Sterben, Tod, Trauer, Endlichkeit sowie über die Möglichkeiten und Herausforderungen der neuen Rechtslage ins Gespräch zu kommen. „Wir als Kirche brauchen dafür auch neue Formate wie beispielsweise Infoveranstaltungen“, stellt sie klar. „Wir müssen und wir wollen ansprechbar sein.“
Weitere Infos gibt es unter https://mwg.rlp.de/themen/gesundheit/bestattungsgesetz (Petra Derst)