Montag, 08. September 2025
150 Jahre Steyler Missionare
Wie Kommunikation, Vielfalt und Bildung den Orden weitertragen sollen
Kommunikation war schon dem heiligen Arnold Janssen wichtig. Der Ordensgründer der Steyler Missionare (Societas Verbi Divini; Gesellschaft des Göttlichen Wortes, SVD) gründete selbst mehrere Zeitschriften und eine Druckerei. Damit erreichte der Orden in den Jahren seit seiner Gründung viele Menschen. Anfang September begehen die Steyler Missionare ihr 150-jähriges Gründungsjubiläum und machen sich - nicht nur im Bereich Kommunikation - auf die Suche nach neuen Wegen.
Der in Goch am Niederrhein geborene Priester Arnold Janssen (1837-1909) gründete am 8. September 1875 einen Missionsorden. In der Zeit des Kulturkampfes wurde das Verhältnis von Staat und Kirche neu ausgelotet - so musste Janssen dafür knapp über die niederländische Grenze nach Steyl ausweichen. Dort entstand in und um ein altes Gasthaus herum das Mutterhaus der Steyler Missionare.
Fortschrittlicher Missionsbegriff
Der neue Orden war für damalige Verhältnisse recht fortschrittlich unterwegs, wie Pater Peter Claver Narh (47) erklärt, der seit 2023 die deutsche Ordensprovinz der Steyler leitet. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) blickt er zurück auf die 150-jährige Ordensgeschichte und aktuelle Herausforderungen.
Die progressive Ausrichtung des Ordens erkenne man etwa daran, dass die Steyler als erster Orden in den USA Afroamerikaner aufgenommen hätten, sagt er. „Viele Bischöfe wollten das nicht. Doch die Steyler haben nicht aufgegeben, bis sie 1922 im Kleinen Seminar in Bay St. Louis, Mississipi, trotz starken kirchlichen und gesellschaftlichen Widerstands in den USA die ersten Afroamerikaner zur Priesterausbildung aufgenommen hatten“, erklärt Narh. Das zeige das Interesse des Ordens an den Kulturen und den Menschen vor Ort. Janssen habe Mission nicht als Überstülpen der eigenen Kultur und Erkenntnisse verstanden.
„Wenn wir mit Menschen arbeiten wollen, dann sollten wir diese Menschen erst mal verstehen“, erklärt der Provinzial der Deutschen Provinz. Deshalb gebe es bei den Steylern in Sankt Augustin das „Anthropos-Institut“, das „Missionswissenschaftliche Institut“ und die „Monumenta Serica“, die den Versuch machen, die Menschen, mit denen die Steyler arbeiten, und die Mission besser zu begreifen. Der heilige Josef Freinademetz, der erste Missionar in China, habe die Menschen dort so geliebt, dass er sagte: „Auch im Himmel möchte ich ein Chinese sein.“ Das zeige, dass Inkulturation bei den Steylern schon von Anfang an gelebt wurde.
Europa als Missionskontinent
Früher wurden in Europa Menschen ausgebildet und „in die Mission“ geschickt - also etwa in afrikanische oder asiatische Länder. Bei einem Treffen der europäischen Provinziale in der nordirischen Kleinstadt Donamon beschlossen die Steyler 1990, auch Europa als Missionskontinent zu bezeichnen. Heute gibt es mehr als 300 nicht-europäische Steyler, die in Europa arbeiten.
„Unser Orden wurde immer internationaler“, erklärt Narh. Konkret sieht das heute so aus: Weltweit haben die Steyler 5 641 Mitglieder; sie stammen aus 76 Nationen und arbeiten in 79 Ländern. In der Deutschen Ordensprovinz (Deutschland plus Steyl) leben 215 Steyler aus 19 Ländern, davon 113 aus Deutschland. All diese Zahlen beziehen sich nur auf den Männerorden. Arnold Janssen gründete außerdem die Steyler Missionsschwestern und die Steyler Anbetungsschwestern, die
heute aber komplett eigenständig organisiert sind und insgesamt rund 3 500 Mitglieder haben.
Zusammenleben als Vorbild für die Gesellschaft
In vielen anderen Orden sind Missionare aus einem Land für die Mission in einem bestimmten anderen Missionsland zuständig. Bei den Steylern sei das anders, erklärt Narh: nämlich von Anfang an gemischt. „Wir bilden unsere Kommunitäten ganz bewusst aus Menschen ganz unterschiedlicher Nationalitäten.“ Auch in Sankt Augustin lebe er mit Mitbrüdern aus vielen verschiedenen Ländern zusammen. „Ich persönlich merke manchmal gar nicht, dass ich ein Ausländer bin - bis jemand mich darauf anspricht.“ Dass er als gebürtiger Ghanaer die Deutsche Provinz leite, könne man daher als Ergebnis gelingender Interkulturalität sehen. Das Zusammenleben in den Kommunitäten gelinge zumeist sehr gut, berichtet Narh. Man merke im Alltag gar nicht, wer aus welchem Land stammt. „Damit wollen wir auch zeigen, dass das Zusammenleben verschiedener Nationalitäten funktionieren kann.“
Nachwuchsmangel als Herausforderung
Auch wenn die Steyler ihre Kommunitäten in Deutschland dank des Ordensnachwuchses aus aller Welt aufrechterhalten können, räumt Narh ein: „Auch an uns geht der Nachwuchsmangel nicht vorbei.“ Die Steyler in Deutschland hätten kaum noch einheimische Berufungen. Die 215 Mitbrüder der Deutschen Provinz haben einen Altersdurchschnitt von 68 Jahren - weil viele hochbetagte Ordensleute hier ihren Lebensabend verbringen.
In Zukunft solle die Berufungspastoral stärker in den Blick genommen werden, sagt der Prior: „Wir geben nicht auf, uns in Deutschland um Berufungen zu kümmern.“ Auch beim internationalen Freiwilligendienst der Steyler Missionare - früher „Missionar auf Zeit“, heute „Mitleben auf Zeit“ (MaZ) genannt, gehen laut Narh die Zahlen zurück. Aktuell versuche man, hierfür neue Konzepte und Kooperationen mit anderen Kongregationen zu finden. Ziel des MaZ sei, Menschen die Möglichkeit
zu geben, über den eigenen Horizont hinaus andere Kulturen kennenzulernen.
Trotz aller Herausforderungen, in Deutschland neue Interessenten für das Ordensleben zu finden: „Wir haben das Glück, dass wir international sind - und dass wir Nachwuchs aus den Ländern bekommen, in denen es noch Berufungen gibt“, sagt Narh. So liegt das Durchschnittsalter aller Ordensmitglieder weltweit deutlich niedriger als in der Deutschen Provinz, nämlich bei 49,2 Jahren. In den meisten afrikanischen Ländern und in Asien gebe es noch Berufungen. Im indonesischen Priesterseminar seien aktuell um die 300 Seminaristen. „Das kann man sich hier gar nicht vorstellen.“
Bildung - heute ohne eigene Hochschule
So musste die ordenseigene Hochschule in Sankt Augustin 2020 aus personellen und finanziellen Gründen an das Erzbistum Köln übergeben werden. Heute wird sie als Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) weitergeführt. „Das heißt nicht, dass Bildung für uns vorbei ist“, sagt Narh. Aktuell würden in Sankt Augustin zehn künftige Priester ausgebildet, die an der KHKT studieren; acht weitere aus dem Ausland würden derzeit erwartet.
„Wir wollen weiter ausbilden“, betont der Provinzial. Denn die Steyler hätten die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die hier studiert haben, sich auch bezüglich Sprache und Kultur besser integrieren könnten. Natürlich mache es einen Unterschied, ob man die jungen Leute an einer eigenen Hochschule ausbilde oder ob sie an externen Einrichtungen ausgebildet werden, sagt Narh. Doch was an anderen Studienorten nicht angeboten werde, erhielten die Studierenden über die wissenschaftlichen Institute der Steyler sozusagen hausintern ergänzend.
Die Zeichen der Zeit erkennen
Im Bereich Kommunikation seien die Steyler heute besonders gefordert, die „Zeichen der Zeit zu erkennen“, sagt Narh. Das Gedruckte spiele inzwischen eine kleinere Rolle als die Smartphone-Nutzung. Zwar werde die Zeitschrift „Leben jetzt“, die Arnold Janssen noch unter dem Namen „stadtgottes“ selbst gegründet hatte, weiter produziert. Daneben intensivierten die Steyler jedoch ihre Bemühungen im Internet und in den Sozialen Medien.
Grundsätzlich ist laut Narh für die Zukunft der Steyler entscheidend, „dass wir als Orden nicht realitätsfremd sind und dass wir versuchen, die Zeichen der Zeit wirklich zu erkennen“. Dazu gehöre, sich zu fragen, ob das Ordensleben, wie es in den vergangenen 150 Jahren gelebt wurde, noch so gelebt werden könne - oder ob es Änderungen brauche. „Werden wir noch in dieser Form von den Leuten gebraucht?“
Was der Orden in den vergangenen 150 Jahren gemacht habe, sei zum jeweiligen Zeitpunkt perfekt gewesen, sagt Narh. „Aber wir müssen heute die Herausforderungen unserer heutigen Gesellschaft angehen. Ich wünsche mir, dass wir den Mut haben, Dinge zu verändern und Fragen zur heutigen Zeit zuzulassen.“