Mittwoch, 22. Juni 2022
Unabhängigere Versorgung

Um unabhängiger von gelieferten Lebensmitteln zu werden, sollen die Länder des Südens wieder mehr eigene und regionale Grundnahrungsmittel anbauen. (Foto: arrowsmith2 / AdobeStock.com)
Hungerkrise in Ländern des Südens: Lokale Landwirtschaft stärken
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) will Entwicklungsländer unabhängiger von Getreideimporten machen. „Bislang haben sich viele Länder auf einzelne Lieferanten verlassen und neben Weizen, Mais und Reis zu wenig auf Vielfalt gesetzt. Das rächt sich nun“, sagte Schulze der „Welt“.
Schulze nahm am 20. Juni in Rom an der Jahressitzung des Exekutivrats des UN-Welternährungsprogramms (WFP) teil. Nach WFP-Angaben weitet sich die weltweite Hungerkrise dramatisch aus. Zurzeit gebe es 345 Millionen Menschen in 82 Ländern, die akut unter Hunger litten, teilte die Organisation in Rom mit. Das seien etwa 200 Millionen mehr als vor Beginn der Corona-Pandemie.
Besonders negativ habe sich zuletzt der Krieg in der Ukraine ausgewirkt, so die Experten. Wegen blockierter Häfen am Schwarzen Meer und des drastischen Preisanstiegs auf dem Weltmarkt könnten viele arme Länder nicht mit Nahrungsmitteln wie Weizen versorgt werden. „Wir stehen vor der schlimmsten humanitären Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte der Direktor des WFP in Deutschland, Martin Frick. Konflikte, Klimakrise und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie hätten die humanitäre Not explodieren lassen. Die internationale Gemeinschaft müsse „jetzt die Weichen stellen, um aus dieser Spirale der Not herauszukommen“.
Svenja Schulze sagte der „Welt“, zunächst müsse nun schnelle Hilfe für Länder organisiert werden, die schon unter den Folgen ausbleibender Lieferungen aus Russland und der Ukraine litten. „Auf Dauer aber hilft es nur, dass die betroffenen Länder wieder in die Lage versetzt werden, mehr selbst zu produzieren, und zwar Klima angepasst und nachhaltig“, sagte die Ministerin.
Mehr Wasserpumpen, lokale Getreidearten
Beim bevorstehenden G-7-Gipfel im bayerischen Elmau will die Ministerin entsprechende Maßnahmen auf den Weg bringen. So solle die lokale Landwirtschaft vor Ort wieder gestärkt werden. „Früher wurden etwa in Afrika stärker lokale Getreidearten angebaut, die an Boden und Klima gut angepasst sind“, so Schulze. Um die verschiedenen Hilfsansätze zu koordinieren, hat sie ein „Bündnis für globale Ernährungssicherheit“ initiiert, an dem sich auch die Afrikanische Union (AU) beteiligt.
Im Norddeutschen Rundfunk sagte die SPD-Politikerin, zur Stärkung der lokalen Landwirtschaft in den Ländern des Südens müssten zum Beispiel Wasserpumpen exportiert werden, damit wieder mehr Felder bestellt werden könnten: „Wenn Felder bestellt werden können, dann können auch sehr schnell wieder Lebensmittel angepflanzt werden.“
Dass die Mehrzahl der afrikanischen Länder es bislang vermieden hat, den Angriffskrieg Russlands zu verurteilen, ist für Schulze kein Grund, die Zusammenarbeit zu verwehren: „Tatsächlich hat sich in vielen afrikanischen Ländern die russische Behauptung verbreitet, der Westen und seine Sanktionen seien schuld an der aktuellen Hungerkrise. Das ist falsch. Wir sprechen dies im Dialog mit unseren afrikanischen Partnern offen an“, sagte die SPD-Politikerin der „Welt“. Eines sei klar: „Diese Hungerkrise ist nicht in ein paar Wochen vorbei, sondern wird uns Jahre herausfordern.“
Deutschland engagiert sich finanziell sehr stark
Deutschland will bei diesen Bemühungen eine führende Rolle spielen, betonte Schulze. Die Entwicklungsministerin kündigte an, dass der deutsche Vorjahres-Beitrag an das WFP in Höhe von 1,2 Milliarden Euro auch in diesem Jahr erreicht und möglichst übertroffen werden solle. Die Bundesrepublik sei damit zweitgrößter Geldgeber. (kna)