Dienstag, 14. März 2023
Stimmen zum Synodalen Weg
Zu zwei Schwerpunkten des Synodalen Wegs - die Aufarbeitung des Missbrauchs bzw. die Prävention sexualisierter Gewalt sowie zur Synodalität - hat die „Pilger“-Redaktion engagierte Menschen aus dem Bistum befragt, Frauen und Männer, ehren- wie hauptamtlich Tätige, Priester wie „Laien“.
Frage 1: Der Begriff der Synodalität ist noch nicht klar definiert. Papst Franziskus hat die inhaltliche Füllung des Begriffes zur zentralen Aufgabe der Weltbischofssynode erklärt. Inwieweit entspricht der Synodale Weg in Deutschland Ihrem persönlichen Synodalitäts-Begriff?
Stefan Angert, Ludwigshafen, Katholikenratsmitglied: Mein Synodalbegriff ist geprägt davon, ohne vorgefertigte Vorstellungen und Forderungen in einen Gesprächsprozess zu gehen, bei dem verschiedene Menschen unterschiedliche Meinungen einbringen. Das ist vielleicht ansatzweise beim "Synodalen Weg" in Deutschland geglückt, obwohl viele Synodale und vor allem wohl dabei die Bischöfe unbeirrbar ihre zu erwartende Positionierung auch im Abstimmverhalten zum Ausdruck gebracht haben. Enttäuscht war ich einerseits, dass im Nachhinein genannte Kritikpunkte nicht in den Gesprächsprozess eingebracht wurden zur Ermöglichung von Textanpassungen und andererseits auch von (Erz-)Bischöfen, die bei strittigen Themen mit Enthaltung gestimmt haben und somit keine Position bezogen haben.
Pfarrer Dominik Geiger, Dekan in Ludwigshafen: Papst Franziskus hat schon ganz früh von einer hörenden Kirche gesprochen. Wenn ich ihn richtig verstehe, meint er mit dem Zuhören auch Austausch und Beratung. Also ist Synodalität die Aufgabe und das Einüben des Aufeinanderhörens und des Austauschs, nicht nur des Beschliessens und Entscheidens. Daher ist es wichtig, einander gelten zu lassen und aufeinander zuzugehen. Synodalität bedeutet ja „gemeinsamer Weg“, es geht um die Gemeinschaft, die sich zum Hören und zum Austausch begegnet. Auch mit Rom. Für jeden Delegierten, ob Bischof oder Laie, stellt sich die Frage nach der eigenen Aufgabe und dem eigenen Platz: Keiner ist für sich das Maß aller Dinge, keiner ist alleine so wichtig – stattdessen sollten sich alle fragen, welche Aufgabe sie haben und für wen sie stehen. Meinem persönlichen Bild von Synodalität entspricht der Synodale Weg wenig, weil mein Eindruck ist, dass es bei den Versammlungen politisch viel zu aufgeheizt zuging und Beratungen ideologisch geprägt waren. Ideologie steht wohl am allermeisten der Synodalität im Wege. Zugleich sollte es weniger um Politik als vielmehr um Theologie gehen, es muss um den Glauben gerungen werden, nicht um Strukturen. Wenn wir uns mit den verschiedenen Meinungen auseinandersetzen, braucht es etwas, das der heilige Ignatius die „Unterscheidung der Geister“ nennt. Ignatius spricht von „Indifferenz“ und meint damit, dass wir in unseren Entscheidungen unabhängig werden müssen, unabhängig von Erwartungen, der Zustimmung anderer und gerade von Ideologie. Nur ein unabhängiger und freier Zugang verhindert eine vorgefertigte Haltung, die der Verständigung im Weg steht.
Gabriele Kemper, Rülzheim, Vorsitzende der Diözesanversammlung im Bistum Speyer: Es ist wichtig, den Begriff der Synodalität zentral für die katholische Kirche zu klären. Es bestehen zu viele unterschiedliche Ansichten über Synodalität und synodales Arbeiten im kirchlichen Kontext. Die Sperrminorität der Bischöfe zu Beschlüssen der Vollversammlung des Synodalen Weges entspricht nicht meinem Verständnis von Synodalität.
Pfarrer Volker Sehy (Maria Rosenberg), Delegierter des Speyerer Priesterrats: Ein klares Nein: Die hier erlebte Form entspricht nicht meinem Bild von Synodalität. Ich habe mich anfangs bewusst entschieden, am Synodalen Weg teilzunehmen, in der Hoffnung, dass der Heilige Geist uns überrascht, wenn alle gemeinsam auf ihn und aufeinander hören. Ich hatte die Erwartung, dass wir immer besser ins Gespräch kommen, die anderen, auch wenn sie unterschiedlicher Meinung sind, immer mehr verstehen lernen. Doch dafür war auf den Versammlungen zu wenig Zeit und Raum. So haben sich immer mehr Parteiungen gebildet. Es gab zu wenig echten Austausch - miteinander und auch mit Gott. Mir fehlte bei den Debatten immer wieder Zeiten des Innehaltens, des Nachhörens auf das, was uns der Heilige Geist in den Positionen anderer sagen will. Während der Treffen wirkte im Gegenteil das meiste Geistliche auf mich wie aufgeklebt. Spiritualität war meinem Eindruck nach nicht bestimmend für den Prozess. Die harsche Kritik des Papstes am Synodalen Weg („elitär“ und „ideologisch“) möchte ich mir zwar in der Wortwahl nicht zu eigen machen. Aber ich frage mich schon, wie repräsentativ diese Versammlung aus Akademikern, Politikerinnen und Kirchenbeschäftigten für das Volk Gottes in Deutschland ist. Die meisten Menschen, die ich als Seelsorger erlebe, ticken anders. Zudem war mein Eindruck, dass es von vornherein festgezurrte Positionen gab, die sich dann im Prozess verhärtet haben. Ich hatte die Erwartung, dass auf dem Weg der Synodalität der Heilige Geist Freude, Frieden und Einheit schenkt. Dass ich das jetzt so nicht erkennen kann, bedauere ich sehr. Ich hoffe und bete, dass Gott am Ende doch alles zum Guten führt.
Frage 2: Der Synodale Weg ist die Antwort von Bischöfen und ZdK auf die MHG-Studie. Was hat sich Ihrer Meinung nach in den Bereichen von Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt in den vergangenen Jahren verändert? Welchen Anteil daran messen Sie konkret dem Synodalen Weg zu?
Pfarrer Axel Brecht, Dekan in Landau: Ich finde es wichtig, dass Aufarbeitung und Prävention einen hohen Stellenwert erhalten. Dazu trägt der Synodale Weg bei. Entscheidungsträger in den Diözesen haben in der Vergangenheit viel zu oft auf das Wohl der Institution geschaut und selten die Perspektive von Betroffenen wahrgenommen. Prävention muss das Anliegen aller in der Gesellschaft werden. Das kann nur gemeinsam gelingen. Und dazu gehört auch die Frage nach Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, derer sich die Synodalversammlung angenommen hat.
Bernd Held, Schiffweiler, Sprecher des Betroffenenbeirates: Als Antwort auf die MHG-Studie hat man mit dem Synodalen Weg eine Veranstaltung aufgelegt, bei der man viel über die Betroffenen (von sexualisierter Gewalt), aber nur sehr wenig mit den Betroffenen geredet hat. Sicher, es gibt zwei Betroffene mit Rederecht in der Versammlung. Aber das genügt nicht. Es ist eher gut gemeint als gut gemacht. So erlebe ich das jetzt seit bereits 13 Jahren: Seit damals kämpfen Betroffene dafür, dass die Kirchenvertreter etwas mit ihnen gemeinsam erarbeiten. Es hat sich vieles im Bereich der Prävention getan, was ganz wichtig ist. Mir gefällt dazu der Vergleich Hauses, das gerade lichterloh brennt: Man investiert in den Brandschutz, aber verliert darüber die Opfer des Brandes aus dem Blick. Bei mir löst das erneut ein Gefühl von Ohnmacht aus. In Sachen Aufarbeitung war es ein Anliegen der Betroffenen, dass die Kirche Hilfe vom Staat erhält. Es muss von außen auf den Missbrauch geschaut werden, die Kirche wird es alleine nicht schaffen. Zwar gehen die Bischöfe darauf ein – aber sie spielen dem Staat den Schwarzen Peter weiter: „Wir von der Kirche würden ja gerne, aber der Staat zieht nicht.“ Das Ziel muss doch sein, die Aufklärung dieser Straftaten in der Mitte der Gesellschaft zu verankern, zumal das nicht nur ein Thema der Kirche, sondern auch von Familien, Sportvereinen und anderen Institutionen ist.
Gabriele Kemper, Rülzheim, Vorsitzende der Diözesanversammlung im Bistum Speyer: Als Mitglied des Beraterstabes "Sexualisierte Gewalt und Prävention" des Bistums Speyer kann ich sagen, dass im Bereich Prävention sehr gute Konzepte entwickelt wurden, die ehren- und hauptamtlich Mitarbeitenden gut vermittelt werden. Der Betroffenenbeirat hat sich konstituiert und ist im Beraterstab und der Aufarbeitungskommission vertreten. Ich hoffe, dass die in Auftrag gegebene Studie uns in absehbarer Zeit Erkenntnisse zum Missbrauchsgeschehen in unserem Bistum liefert. Es ist wichtig, dass wir nach mehr als zehn Jahren endlich Klärung erhalten. Ich hoffe, die Basis seriöser Daten hilft uns allen - bis in die Pfarreien und Gemeinden hinein - zu verstehen, wie systemisch bedingter Missbrauch in so großem Ausmaß geschehen konnte und wie wir gegen Täter konsequent vorgehen sollten.
Kathrin Schek, Kindsbach, Mitglied in der Jungen Kirche Speyer und im Hauptausschuss der Diözesanversammlung des Bistums Speyer: Die Aufklärung sexualisierter Gewalt muss unbedingt weitergeführt werden, systematische Ursachen müssen zwingend behoben werden. Bei der Prävention sexualisierter Gewalt sind unter anderem in der Jugendverbandsarbeit bereits viele Fortschritte erzielt worden. Wir müssen weiter unsere Sensibilität für die Grenzen unserer Mitmenschen steigern um Grenzüberschreitungen, Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt vorzubeugen.
Hede Strubel-Metz, Ludwigshafen, Katholikenratsmitglied: Auf jeden Fall ist das Thema „sexualisierte Gewalt“ durch die Synodalberatungen deutlicher geworden und konnte nicht verstummen. Sexualisierte Gewalt ist ein Thema in allen Lebensbereichen der Menschen. Die katholische Kirche muss dieses Thema aufarbeiten für alle, weil sie etwas ganz anderes gepredigt hat. Das schmerzt teilweise sehr. Viele Gespräche wurden bereits geführt und in Gestalt von Buchstaben ändert sich bereits manches. Aber die Umsetzung ist mühsam. In der eigenen Gemeinde tut sich da nichts, weil man glaubt, dass dieses Thema bei uns nicht sei. (pil)