Dienstag, 09. Mai 2023
Einiges im Alltag bereits umgesetzt

Sie haben einen guten Draht zueinander: Pfarrer Alexander Klein und Pfarrerin Michelle Schmidt. (Foto: Moos/Privat)
Evangelische und katholische Seelsorger lernen gemeinsam „Führen und Leiten in Zeiten des Wandels“
Wer in einer Führungsposition Verantwortung trägt, der steht tagtäglich vor neuen Herausforderungen. Das gilt vor dem Hintergrund der Veränderungen in Kirche und Gesellschaft besonders auch für Seelsorgerinnen und Seelsorger. Ihnen das dafür nötige Rüstzeug vermitteln will der Kurs „Führen und Leiten in Zeiten des Wandels“.
Fünf solcher Angebote für katholische Priester im Bistum Speyer gab es nach Angaben von Dr. Alois Moos, Leiter der Abteilung Personalförderung im Bischöflichen Ordinariat, bereits. Die jüngste Fortbildung fand erstmals ökumenisch statt. Acht evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer sowie acht katholische Priester und ein katholischer Diakon hatten über eineinhalb Jahre gemeinsam intensiv gearbeitet. Vom 26. bis 28. April trafen sie sich zu einer letzten Lerneinheit im Butenschoen-Haus in Landau.
Bereits im Jahr 2012 sei im Bistum der Gedanke aufgekommen, eine Fortbildung für Priester anzubieten. „Denn uns war im Hinblick auf die pastorale Strukturreform ,Gemeindepastoral 2015‘ klar, dass die ,Leitenden Pfarrer‘ durch die Reduzierung der Zahl der Pfarreien von 346 auf 70 zusätzliche Kompetenzen benötigen, damit sie für ihr Aufgabenfeld gewappnet sind“, so Moos. „Sie müssen für die großen Linien Verantwortung übernehmen und in der Lage sein, sich selbst, als auch die Mitarbeiter im Pastoralteam und im Ehrenamt leiten zu können.“ Damit verbunden seien beispielsweise Fragen wie „Wann ist meine Entscheidung gefordert?“, „Was kann ich delegieren?“, „Welche Charaktere habe ich im Team, die mehr oder weniger Unterstützung benötigen?“.
Darüber hinaus gehöre es zum Anforderungsprofil der Führungskräfte, gemeinsam mit den pfarrlichen Gremien einen Blick für Themen zu entwickeln, die gerade relevant sind, und entsprechende Prioritäten zu setzen. Als Beispiel nennt der Theologe die Einrichtung einer Kleiderkammer aufgrund einer steigenden Zahl an sozial benachteiligten Bewohnern in der Kirchengemeinde.
Die Idee für den ökumenischen Kurs entstand eher zufällig im Gespräch zwischen Alois Moos mit dem Verantwortlichen für Fort- und Weiterbildung der Evangelischen Landeskirche, Dr. Steffen Schramm. „Dabei tauschten wir uns darüber aus, dass unsere beiden Kirchen aufgrund des Wandels die gleichen Herausforderungen und Fragestellungen auf Leitungsebene beschäftigt“, so Moos. Schon bald darauf wurden die Weichen gestellt für die erste ökumenische Qualifizierungsmaßnahme in Verantwortung der beiden Mitarbeiter von Bistum und Landeskirche. Der Startschuss fiel schließlich Ende September 2021.
Acht thematische Blöcke von jeweils drei Tagen, in denen Fach- und Methodenkenntnisse vermittelt wurden und es genügend Raum für persönliches und soziales Lernen gab, haben die 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den vergangenen eineinhalb Jahren absolviert. Dabei ging es zu Beginn zunächst darum, sich gegenseitig kennenzulernen und mit der Frage zu beschäftigen, was es bedeutet, wenn zwei verschiedene Kirchen ihre Führungskräfte gemeinsam fortbilden. Vermittelt wurden zudem Inhalte zu Themen wie führen – auch sich selbst – und für sich selbst sorgen, Kommunikation und Konflikte, arbeiten mit Teams und Gruppen sowie die Förderung des freiwilligen Engagements. Parallel zu den einzelnen Modulen erhielten die Seelsorgerinnen und Seelsorger ein kursbegleitendes persönliches Coaching.
Fünf Trainer aus unterschiedlichen Bereichen wie Supervision und Personalwesen hatten den Auftrag, die erfahrenen Führungspersonen, die nach Vertiefung und Auffrischung suchen, sowie die Nachwuchskräfte für ihre Leitungsaufgaben fit zu machen. Die thematischen Einheiten wurden abwechselnd im Butenschoen-Haus, im Priesterseminar in Speyer und im Kloster Neustadt vermittelt.
Für Alois Moos war es spannend, die Entwicklung der Gruppe, aber auch der einzelnen Personen zu beobachten. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich schon bald miteinander solidarisiert, weil ihnen schnell klar wurde, dass sich die evangelische und die katholische Seite mit den gleichen Problemen auseinandersetzen muss: schwindende Ressourcen und geänderte Erwartungen der nachwachsenden Generation an die Kirchen.“ Auf diese Weise habe der Kurs einen konkreten Beitrag zur Ökumene im Alltag geleistet. „Ein selbstsichereres Auftreten der Seelsorgerinnen und Seelsorger, weil ihnen bewusst wurde, dass die Ursache für ihre Unsicherheit nicht ihrem Unvermögen, sondern den geänderten Herausforderungen geschuldet ist“, sei ein weiterer Erfolg des Kurses.
Michelle Schmidt ist Pfarrerin im Kirchenbezirk Zweibrücken. „Die Fortbildung war praxisnah und hat viele Bereiche im Hinblick auf Führen und Leiten abgedeckt“, betont die 37-Jährige. Auch die Bearbeitung konkreter Fälle aus dem eigenen Arbeitsalltag sei sehr bereichernd gewesen. Schnell hätten sich die Teilnehmer zu einer Gemeinschaft zusammengefunden. Ein weiterer Effekt: „Mein hierarchisches Bild von der katholischen Kirche hat sich geändert. Denn mir war nicht bewusst, dass die Räte eine ähnliche Rolle spielen wie bei uns.“ Insgesamt habe sie bereits einiges im Arbeitsalltag umsetzen können, etwa worauf es ankommt, um eine Sitzung gut vorzubereiten und durchzuführen.
Dies bestätigt auch Alex- ander Klein, Seelsorger der Pfarrei Heiliger Martin von St. Ingbert-Rohrbach. Er habe einige Beispiele aus seinem Arbeitsalltag eingebracht, die mittels Rollenspiele in den Blick genommen wurden. Vieles in der Pfarrei laufe schließlich über Kommunikation. Da sei es das „A und O“, ein gutes Handwerkszeug zu haben, damit die Zusammenarbeit möglichst reibungslos läuft, so der 37-Jährige. Auch das Thema Zeitmanagement und die Wahrnehmung der eigenen Schwächen seien sehr hilfreich gewesen. Als besonders wohltuend habe er das gute Mitein- ander und das Verständnis füreinander erlebt.(pede)