Donnerstag, 28. März 2013
Hinter den Kulissen des Kaisersaals

Mario Colletto an einem Schaltkasten, bei dem die Brandschutzsysteme zusammenlaufen. Sicherheit wird groß geschrieben. Kleines Foto: Die Marienkrönung – mit ausgeklügelter Lichttechnik angestrahlt. Foto: Stahler
Dombaumeister Mario Colletto verrät verborgene Technik-Geheimnisse
Dombaumeister Mario Colletto verrät verborgene Technik-Geheimnisse
Wohl kaum ein Kaisersaal-Besucher denkt daran, was sich unter seinen Füßen befindet. Denn über seinem Kopf ziehen schließlich die frisch restaurierten Schraudolph-Fresken Blick und Aufmerksamkeit auf sich. Dennoch: Ohne das, was sich gut versteckt sozusagen in der Unterwelt des neu eröffneten Raums in der Kathedrale befindet, könnte niemand die nazarenischen Kunstwerke genießen. Denn dort ist die ganze Technik versteckt.
„Wir haben den ganzen Boden rausgenommen“, erinnert sich Dombaumeister Mario Colletto an die Bauphase. Da die alten Baumeister noch keine Lastwagen zum Schuttabtransport zur Verfügung hatten, sei der Schutt kurzerhand in die Gewölbe geworfen worden. Rund 120 Tonnen Bauschutt waren hier „entsorgt“ worden, erklärt Colletto. Um die Last auf den Gewölben zu reduzieren, wurden diese Altlasten entfernt und durch ein wesentlich leichteres Material ersetzt: Glasschaumschotter. Obwohl zugunsten größerer Stabilität alle teilweise zwei Meter hohen Hohlräume komplett verfüllt wurden, lasten heute durch den Einsatz des modernen Materials nur noch 20 Tonnen auf den Gewölben, rechnet der Dombaumeister vor.
In der unsichtbaren Glaschaumschotter-Schicht unter dem Boden des Kaisersaals sind laut Colletto „in großen Rohren“ alle Versorgungsleitungen für Elektrik, Lüftung, Brandschutz, Telefon und Kameras versteckt.
Auch der Strom für die ausgeklügelte LED-Technik, die eigens zur Beleuchtung der Fresken entwickelt wurde, fließt aus diesen Leitungen in die speziell entwickelten Bildträgerkonstruktionen. Pro Fresko sitzen 250 LED-Lampen auf einem Metallrahmen rund um das Bild herum. 3000 LEDs wurden laut Colletto insgesamt im Kaisersaal installiert. Technischer Clou: Die Beleuchtung jedes Freskos kann per Smartphone oder Tablet PC gesteuert werden. So können bestimmte Teilbereiche des Bildes beleuchtet oder Personen hervorgehoben werden.
Weitere Besonderheit: Die moderne LED-Technik ermöglicht es laut Colletto tatsächlich, eine ähnliche Lichtsituation zu erzeugen wie die, die Schraudolph im 19. Jahrhundert für seine Kunstwerke im Sinn hatte: Denn die Fresken „sind vergoldet und auf Kerzenlicht konzipiert“, sagt der Dombaumeister. Durch Lichtreflexionen der Goldschichten im Kerzenschein entstehe das besondere Leuchten der Fresken, ihre lebendigen Effekte. Und genau das soll in einer Fortentwicklung der LED-Beleuchtung noch besser erreicht werden. Wie Colletto ankündigt, sei es möglich, mit der Technik flackerndes Kerzenlicht nachzuahmen.
Die Lichttechnik sei mit rund 300000 Euro Kosten einer der größten Posten des rund 1,6 Millionen Euro teuren Kaisersaal-Umbaus gewesen, so Colletto. Trotz der hohen Anschaffungskosten sei die LED-Technik bei einer Laufzeit von 15 bis 20 Jahren jedoch wirtschaftlicher als konventionelle Technik, gibt er zu bedenken. Die Wärmeenergie, die auch LED-Lampen abgeben, werde übrigens über Aluprofile in der Rahmenkonstruktion abgeleitet, erklärt der Dombaumeister.
Hier lüftet Colletto noch ein weiteres Geheimnis hinter den Kulissen des Kaisersaals: „Insekten können das LED-Licht nicht sehen, für sie sieht der Kaisersaal total dunkel aus.“ Keine einzige Spinne, Motte oder Biene habe sich bisher in den Präsentationsraum der Schraudolph-Fresken verirrt.
Großen technischen Aufwand erforderte übrigens auch das Brandschutz- und Rettungskonzept für die neue Speyerer Touristenattraktion: In dreijähriger Arbeit wurde eines der modernsten Sicherheitskonzepte von ganz Deutschland entwickelt. Es umfasst Notfallpläne für alle Bereiche, von der Ersten Hilfe über den Brandschutz bis hin zu einer möglichen Evakuierung. Die Mitarbeiter, die die Besuchergruppen bei der Turmbesteigung begleiten, wurden in allen diesen Bereichen geschult. Ein zentrales Element im Rettungskonzept ist die Möglichkeit der Liegend-Rettung. Durch den Rettungsschacht im Südwest-Turm, der neben dem Treppenaufgang liegt, kann ein Verletzter in einer Schleifkorbtrage liegend abgelassen werden.
Um das Sicherheitskonzept zu erstellen, hatten die Experten des Bistums große Kirchen mit begehbaren Türmen in mehreren Städten besucht und sich über die dort angewandten Sicherheitsvorkehrungen informiert – unter anderem im Ulmer Münster, das bekanntlich den höchsten Kirchturm der Welt hat. (red)
Rund um den Dom
Öffnungszeiten
Dom: geöffnet werktags November bis März 9 – 17 Uhr, werktags April bis Oktober 9 – 19 Uhr, sonntags ganzjährig 12 – 17 Uhr. Während der Gottesdienste ist eine Besichtigung nicht möglich, an kirchlichen Feiertagen gelten gesonderte Öffnungszeiten.
Kaisersaal und Aussichtsplattform: geöffnet werktags April bis Oktober 9 – 19 Uhr, werktags November 9 –17 Uhr, sonntags April bis November 12 – 17 Uhr, letzter Einlass jeweils eine Stunde vor Schließung. Während der Gottesdienste sind Dom und Kaisersaal für Besichtigungen geschlossen. An kirchlichen Feiertagen gelten gesonderte Öffnungszeiten, die auf der Homepage des Bistums zu finden sind (www.bistum-speyer.de/dom). – Hinweis: Der Weg zum Kaisersaal führt über 90 Stufen, weitere 206 Stufen führen zur Aussichtsplattform. Besuchern mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen wird der Besuch dieses Bereichs nicht empfohlen.
Eintrittspreise
Der Eintritt zum Dom ist frei.
Kaisersaal und Aussichtsplattform: Eintritt für Erwachsene: 6 Euro, Ermäßigter Eintritt für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre und für Menschen mit Behinderung: 3 Euro. Eintritt für Familien mit mehreren Kindern: 15 Euro.
Karten für den Besuch von Kaisersaal und Turm sind am Kassencontainer an der Nordseite des Domes erhältlich.
Krypta: 3 Euro. Für Kinder und Jugendliche sowie für Schwerbehinderte ist der Eintritt zur Krypta frei.
Führungen durch Dom und/oder Kaisersaal: Telefon 06232/102-118 (Bürozeiten: Dienstag bis Freitag 10 bis 12 Uhr sowie Montag und Donnerstag 14 bis 16 Uhr).
E-Mail: domfuehrungen@bistum-speyer.de
internet: www.bistum-speyer.de/dom