Donnerstag, 03. September 2015
Pilgerwege in Deutschland
Der Herbst bietet geradezu ideales Pilgerwetter: Die Natur leuchtet in prächtigen goldenen Farben, und es ist nicht mehr zu heiß zum Laufen. Perfekt, um sich eine Auszeit vom Alltag zu gönnen und auf den Spuren des heiligen Jakobus zu wandeln. In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche regionale Pilgerrouten und rund 30 Hauptwege. Insgesamt können dabei mehr als 10000 Kilometer quer durch die Bundesrepublik erwandert werden. Beate Steger, Foto- und Filmemacherin aus dem badischen Wiesloch, ist seit sechs Jahren immer wieder auf deutschen Pilgerwegen unterwegs und weiß: „Mit einer Jakobsmuschel am Rucksack wird man ganz anders wahrgenommen.“ Sie selbst wurde auf ihren Wegen immer wieder spontan eingeladen – auf Kaffee und Kuchen oder zum Dorffest. Unvergessliche Erinnerungen, Schritt für Schritt erwandert.
„Beim Pilgern ist der Alltag wie weggeblasen. Man ist nur am Gehen und Genießen“, schwärmt Beate Steger, die bereits 2001 bei ihrem ersten Pilgermarsch durch Spanien der Faszination des Pilgerns erlag. „Es ist einfach großartig, draußen zu laufen und auf ein Minimum reduziert zu sein.“ Pilgern kann jeder. Man muss einfach immer der Muschel folgen. Die gelbe Muschel auf blauem Hintergrund ist mehr als ein Wegzeichen. Der Punkt, in dem sich alle Strahlen bündeln, weist zugleich die Richtung. Solche Muschelschilder erhält ein Weg nach strengster Überprüfung von den deutschen Jakobusgesellschaften. Diese haben es sich zur Aufgabe gemacht, historische Pilgerwege aufzuspüren. Dabei gilt neben weiteren Kriterien: Alle Wege müssen südwestlich oder westlich ausgerichtet sein. Schließlich lautet das finale Ziel das Grab des heiligen Jakobus in Santiago de Compostela, das – grob betrachtet – in dieser Himmelrichtung liegt.
Die 30 Hauptwege durch Deutschland sind völlig unterschiedlich: hügelige Strecken, weitläufige Wege, mit vielen Sehenswürdigkeiten wie Klöstern und Kirchen gespickt. Vorbei an Seen, durch Wälder – immer der Muschel nach. Egal, ob Pilger-Neuling oder erfahrener Wanderer: Wer Ruhe sucht, wird diese auf der Via Baltica finden. Der nördlichste Jakobsweg der Ost-West-Verbindungen in Deutschland führt von Usedom nach Osnabrück. Die insgesamt etwa 770 Kilometer durch typisch nordische Landschaften laden zur Meditation ein. Es ist ein perfekter Weg zu sich.
Der „Weg der starken Frauen“ wurde im vergangenen Jahr offiziell eingeweiht. Er schließt eine Lücke im Netz der Jakobswege und führt von Erfurt nach Coburg – durchgängig gut erkennbar mit der Muschel gekennzeichnet. Ein Teil des Weges steht im Zeichen von drei bedeutenden Frauen aus der christlichen Geschichte Thüringens: der seligen Paulina, der heiligen Walburga und der heiligen Elisabeth, der Bistumspatronin Erfurts.
Von Nürnberg über Ulm bis zum Bodensee führt der älteste deutsche Jakobusweg. Startpunkt ist der schon im Mittelalter wichtige Knotenpunkt Nürnberg. Durch das fränkische Hügel- und Seenland geht es über das Nördlinger Ries bis zum Donautal und in die Münsterstadt Ulm. In Steinhausen können Pilger „die schönste Dorfkirche der Welt“ besichtigen, bevor sie sich weiter auf den Weg nach Meersburg machen.
Sehr beliebt bei Pilgern ist der Münchener Jakobsweg. Er führt etwa 290 Kilometer von München durchs Allgäu, vorbei an unzähligen Kirchen und Klöstern im sogenannten Pfaffenwinkel. „Hier wandert man durch wunderschöne Landschaften, allerdings selten ganz allein“, weiß Steger. Auf dem Weg laden der Starnberger See und der Ammersee zu einer Abkühlung ein, das Kloster Andechs bietet Pilgern günstiges Quartier – aber nur mit Pilgerausweis. Wer den nicht hat, zahlt hier den üblichen Preis für die Übernachtung. Ohnehin ist der Pilgerpass auch fürs Pilgern in Deutschland empfehlenswert. Wer weiter bis Spanien geht, braucht ihn sowieso. Denn ohne die „Credencia“ gibt es dort gar keinen Einlass in die Pilgerherbergen. Einen Pilgerpass erhalten Sie bei den deutschen Jakobusgesellschaften (www.deutsche-jakobus-gesellschaft.de). Pilgerstempel gibt es meist in Kirchen und Klöstern oder auch in manchen Schlafstätten. Es genügt ein einfacher Adressenstempel. Beate Steger hat bei all ihren Pilgertouren die unterschiedlichsten Siegel gesammelt. „Die Herbergen, Restaurants und Gemeinden auf den Pilgerstrecken sind da sehr einfallsreich“, erzählt sie schmunzelnd. So ist jeder voll gestempelte Pilgerausweis auch ein einmaliges Erinnerungsstück – an den Weg und an die Geschichten, die damit verbunden sind.
Pilgern ist nicht nur ein Weg zu sich selbst. „Es sind auch die Begegnungen mit fremden Menschen, mit denen man das Quartier teilt oder auch eine Strecke gemeinsam geht“, schwärmt Beate Steger. Wer nicht gerne alleine unterwegs ist, kann sich einer Pilgergruppe anschließen. Dennoch geht jeder „seinen Weg“, für sich, in seinem Tempo, Etappe für Etappe. Im Schnitt sind dies etwa 25 Kilometer pro Tag, mal mehr, mal weniger. Manchmal ist es auch die Strecke bis zur nächsten Unterkunft, die das Tagespensum vorgibt. Nicht Santiago de Compostela ist das also Ziel, sondern der Weg dorthin. „Wichtig ist es, sich auf den Weg zu machen“, sagt Pilgerexpertin Beate Steger. „Und auf dem Weg verschiebt sich ohnehin, was wichtig ist und was nicht.“
Lesen Sie den ausführlichen Artikel zu "Pilgerwege in Deutschland" in der Ausgabe des Pilger-Magazins September 2015.