Donnerstag, 02. Dezember 2010
Wege in die Zukunft
Der Ruf zur Umkehr bleibt aktuell – ein Beitrag von Studiendirektor i.R. Theo Wingerter
Was ist zu tun? Johannes fordert Umkehr. Umkehr ja! Aber nicht einfach die Rückkehr zu den alten und eingefahrenen Wegen und Zuständen, sondern den Weg in eine neue ganz andere Richtung. Das erfordert Mut und entschiedenes Denken und Handeln, Kreativität und Fantasie. Aber der Einsatz wird sich lohnen; denn „das Himmelreich ist nahe.“ Für Matthäus ist Himmelreich eine andere Bezeichnung für das Reich Gottes. Dieses Reich wird kommen. Davon ist der Prophet überzeugt. Gott wird es herbeiführen durch den, der größer und stärker ist als Johannes. Seine Zuhörer aber müssen den Weg für das Kommen des Reiches Gottes ebnen. Was dies bedeutet, demonstriert er durch die Art, wie er auftritt und lebt. Das Büßergewand und seine armselige Nahrung stehen in Gegensatz zum Auftreten der religiösen und politischen Führer Israels. Eine bewusste Abgrenzung. Deren Leben und Lehre bereiten das Volk nicht auf das Himmelreich vor. Nun sollen sie durch ihr Verhalten, ihre Umkehr und Buße, zeigen, dass sie es ernst nehmen mit ihrer Vorbereitung auf das Reich Gottes, und dass sie einsehen, was in ihrem Leben schief läuft. Sonst haben sie keine Zukunft. Das Volk begreift die Botschaft und zieht die Konsequenzen. Es lässt sich taufen. Die Botschaft des Johannes kommt an, denn er lebt, was er predigt: Umkehr und Buße.
Was bewegt den Johannes zu seinem anspruchlosen Leben und seinen radikalen Forderungen? Es ist das unmittelbar bevorstehende Auftreten des Jesus von Nazareth mit seiner Verkündigung des Reiches Gottes. Reich Gottes kann bildlich verstanden werden für einen Zustand, der erst durch Gott vollendet wird, aber bereits hier beginnt und die Mitwirkung des Menschen erfordert. Dazu gehört, dass Menschen aus ihrer Verbindung mit Gott heraus sich engagieren für Frieden und Gerechtigkeit, für menschenwürdige Lebensverhältnisse und für die Achtung des Wertes und der Würde eines jeden Menschen. Dazu zählt auch, Armut zu überwinden und Krankheit und Leid zu verhindern oder zu lindern, möglichst für alle eine lebenswerte Zukunft zu schaffen und Hoffnung zu geben über den Tod hinaus. Was Johannes verkündet und mit Jesus begonnen hat, ist Aufgabe der Kirche. Dafür muss sie sich einsetzen, auch unter sich ändernden Bedingungen und Voraussetzungen – überzeugend und in einer Weise und Sprache, welche die Menschen verstehen.
Wenn sich Verhältnisse so geändert haben, dass eine sinnvolle und überzeugende Verkündigung nicht mehr möglich ist, muss nach neuen Wegen gesucht werden. Das Diözesane Forum vom 12. bis 14. November in Speyer scheint einen Weg in eine neue Richtung zu zeigen. Das „Bis hierher und nicht weiter“ des Johannes muss in unsere Zeit übertragen werden. Noch ist die Umkehr nicht vollzogen. Doch den künftigen Weg scheinen nicht wenige zu ahnen. Bisher sind vor allem geänderte Strukturen erkennbar. An den künftigen Großpfarreien führt kein Weg vorbei. Zurückgehende Katholikenzahlen, fehlende Priester und Geldmangel zwingen zu gravierenden und schmerzenden Einschnitten.
Umkehr kann heute nicht heißen, zurück in Verhältnisse vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Darum dürfen wohl auch Strukturen der innerkirchlichen Ordnung neu überdacht werden. Der Weg in eine neue Richtung wurde auf dem Diözesanen Forum gewiesen. Wenn den Laien größere Aufgaben zugewiesen und zugemutet werden, sind ihnen dann z.B. nicht auch eine stärkere Eigenverantwortung zu geben und einige Befugnisse zu übertragen, die bisher dem Klerus vorbehalten waren? Wenn die Kirche Zukunft haben will, darf sie sich vor solchen Fragen nicht drücken.
Das Diözesane Forum war mit dem Bischof einig in dem Wunsch nach einer Folgeveranstaltung, auf der die inhaltlich theologischen Aspekte der Gemeindepastoral im Mittelpunkt stehen. Hier müssten Visionen von Kirche entwickelt werden. Die Botschaft Jesu könnte dann mit der Lebenswirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert konfrontiert werden. Aus dem Glauben heraus sind Antworten auf Fragen zu entwerfen, die in der Diözese heute auf den Nägeln brennen. Weil Gottes Geist in Taufe und Firmung allen Christen geschenkt wird, muss das Vertrauen in die Kreativität und Fähigkeiten der Laien bei ihrer Mitarbeit wachsen. Dann ist auch die Voraussetzung gegeben, dass auf möglichst breiter Basis um Ergebnisse gerungen wird. Auch dies wäre ein Beitrag, dass Gottes Wort in unserer Zeit ankommt und Mensch werden kann.