Freitag, 20. August 2021
Empörende Hilflosigkeit

Mit Militärmaschinen versuchen die bisher in Afghanistan engagierten Militärs, möglichst viele Menschen auszufliegen. (Foto: actionpress)
Bischofskonferenz und Hilfswerk Misereor zur Krise in Afghanistan
Die deutschen katholischen Bischöfe zeigen sich betroffen über die Zustände in Afghanistan. „Die Szenen am Flughafen Kabul, belagert von Menschen, deren einzige Hoffnung darin besteht, ihre Heimat noch schnell genug verlassen zu können, bedrängen“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, am 17. August in Bonn. Ihn empörten das um sich greifende Leid und die Hilflosigkeit derer, denen gerade die Zukunft entrissen wird.
Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan stelle „eine desaströse Niederlage der USA und der bis vor kurzem an ihrer Seite engagierten Länder“ dar, so Bätzing. Das gelte auch für Deutschland. „Die jetzt eingetretene Lage zehrt das politische Vertrauenskapital der westlichen Länder auf und wird von vielen in aller Welt als moralischer Bankrott verstanden“, betonte der Bischof von Limburg.
Als vor 20 Jahren die Entscheidung für die militärische Invasion Afghanistans getroffen worden sei, habe es auch in den Kirchen eine „gemischte Diskussionslage“ gegeben, sagte Bätzing. „Wie immer man dabei Partei ergriff: Nur schwer ist das abrupte Ende eines solchen Einsatzes zu begründen, wenn die katastrophalen Folgen doch absehbar waren. Man gibt kein Land an eine erwiesenermaßen brutale archaisch-radikal- islamistische Bewegung preis, wenn man die Zivilbevölkerung zuvor jahrelang angespornt hat, einem entgegengesetzten zivilisatorischen Kurs zu folgen! So werden Leib und Leben Tausender und Abertausender in Gefahr gebracht.“ Eine Renaissance des islamistischen Terrorismus sei nicht unwahrscheinlich.
Bätzing forderte eine unverzügliche Evakuierung der Ortskräfte, die für das Militär der auswärtigen Mächte gearbeitet haben, und des Personals der internationalen Hilfsorganisationen. „Großzügige Aufnahmeangebote sollten aber auch jenen gemacht werden, die in besonderer Weise gefährdet sind, Opfer des neuen Taliban-Regimes zu werden, weil sie sich in den zurückliegenden Jahren für eine Neuorientierung der afghanischen Gesellschaft exponiert haben.“
Viele verantwortliche Politiker äußerten die Erwartung, dass der Umsturz in Afghanistan mit erheblichen Fluchtbewegungen einhergehen werde. Deshalb sei es unerlässlich, die Staaten in der Region in die Lage zu versetzen, Flüchtlinge aufzunehmen und zu versorgen. Vielleicht würden sich viele Menschen auch auf den Weg nach Europa machen. „Die Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union muss dringend vertieft und verbessert werden, damit diejenigen, die ein Recht dazu haben, hier Aufnahme finden können“, so der DBK-Vorsitzende.
Seit 15. August sind die Taliban in Afghanistan wieder an der Macht, nachdem die militanten Islamisten die Hauptstadt Kabul eingenommen hatten und der vormalige Präsident des Landes, Aschraf Ghani, ins Ausland geflüchtet war. Derzeit versuchen westliche Truppen, eigene Staatsangehörige und Ortskräfte mit Militärmaschinen vom Flughafen Kabul auszufliegen. Auf dem Flughafengelände kam es zunächst zu dramatischen Szenen, als verzweifelte Menschen versuchten, zu fliehen und sich an US-Militärbombern festzuhalten.
Das katholische Hilfswerk Misereor hält indes an seiner Projektarbeit in Afghanistan fest. Man dürfe die Menschen in dieser schwierigen Situation nicht im Stich lassen, sagte Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon. „Bisher sind wir hoffnungsvoll, dass dies mit gewissen Anpassungen und Einschränkungen gelingen kann.“ Mit den Taliban müsse weiter verhandelt und um Menschenrechte, Gewaltvermeidung und zivilgesellschaftliche Freiheit gerungen werden. (epd/kna)