Mittwoch, 06. Oktober 2021
Südafrika feiert Desmond Tutu

Erzbischof Tutu mit Prinz Harry, seiner Frau Meghan und ihrem Baby Archie vor zwei Jahren in Kapstadt. (Foto: actionpress)
Der Friedensnobelpreisträger blickt auf 90 Lebensjahre zurück
Desmond Mpilo Tutu, Kämpfer gegen die Apartheid in Südafrika, Friedensnobelpreisträger, Experte für Versöhnung, will eigentlich Pensionär sein – und würde doch eigentlich immer noch dringend gebraucht.
Denn bis heute ist die „Regenbogennation“, von der Tutu immer träumte, eine große Baustelle. Mehrfach hat sich die „Stimme der Schwarzen“, wie ihn Nelson Mandela nannte, offiziell ins Privatleben zurückgezogen. Aber so richtig klappte es am Ende doch nicht. Am 7. Oktober wurde Desmond Tutu 90 Jahre alt.
Als seit Mitte der 1970er Jahre die meisten Anführer der Schwarzen im Gefängnis saßen, wuchs der anglikanische Priester Tutu mehr und mehr in die Rolle des Hoffnungsträgers gegen den Apartheid-Staat hinein. Die weißen Machthaber zogen mehrfach seinen Pass ein, verhafteten ihn. Doch noch vor Gericht klagte er die vermeintlich christlichen Politiker an, die ihre Parlamentssitzungen mit einem öffentlichen Gebet begannen: „Unser Gott macht sich etwas daraus, dass Kinder in ‚Umsiedlungslagern‘ verhungern – so nennt man ja wohl diese Schuttabladeplätze für die armseligen Opfer dieses gemeinen und bösartigen Systems. Der Gott, den wir anbeten, macht sich etwas daraus, dass Menschen unter mysteriösen Umständen in Untersuchungshaft sterben.“
Für seinen „gewaltlosen Einsatz gegen das Apartheid-Regime“ erhielt er 1984 den Friedensnobelpreis. Im selben Jahr wurde er als erster Schwarzer zum Bischof von Johannesburg gewählt; nur zwei Jahre darauf folgte die Ernennung zum Erzbischof von Kapstadt und damit zum Oberhaupt der zwei Millionen Anglikaner des Landes.
Mit dem Ende des Apartheid-Staates Anfang der 90er Jahre war die „moralische Wende“ in Südafrika noch lange nicht geschafft. Die wohl undankbarste Aufgabe stand dem „Quälgeist“ (Tutu über Tutu) noch bevor. Als Vorsitzender der „Kommission für Wahrheit und Versöhnung“ hörte der emeritierte Kirchenführer seit 1996 Täter und Opfer des Systems an. Rund 20 000 Fälle zwischen 1960 bis 1994 wurden in drei Jahren untersucht.
Die Kommission nahm sich nicht nur die einstigen Machthaber vor, sondern prangerte auch Folter, Attentate und Mordbefehle des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) an; selbst die Kirchen bekamen ihr Fett weg. Der Lohn für die Unbestechlichkeit: Lügen, Tränen, neuer Hass. Zwei Drittel aller Südafrikaner, egal welcher Hautfarbe, waren überzeugt, die Wahrheitskommission habe nicht zu Versöhnung beigetragen, sondern die Gräben zwischen den Rassen vertieft.
Nicht nur die ehemaligen weißen Machthaber des Apartheid-Staates hatten am Ende mit der Kommission gebrochen. Auch „Opfer“ von einst, Mitglieder des nun regierenden ANC, versuchten in einem unwürdigen Schauspiel, die Veröffentlichung des 3 500 Seiten langen Abschlussberichts zu verhindern. Das brachte Tutu in Rage.
Seit er auch all seiner vielen Ehrenämter ledig ist, hört man die „Stimme der Schwarzen“ nur noch selten. Tutu will den Rest seiner Lebenszeit der Familie widmen. (kna)