Mittwoch, 23. Februar 2022
Widerstand gegen Pläne

Die geplante Neuregelung der Suizidhilfe könnte das Bundesverfassungsgericht erneut beschäftigen. (Foto: MQ-Illustrations_AdobeStock)
Sterbehilfevereine sind gegen gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe
Sterbehilfevereine und humanistische Organisationen haben sich gegen eine erneute rechtliche Regelung der Suizidbeihilfe in Deutschland ausgesprochen. Die bislang vorgelegten drei Gesetzentwürfe verstießen gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, kritisierten die Vereine am Montag in Berlin. Im Falle einer Umsetzung kündigten sie einen erneuten Gang nach Karlsruhe an.
An der Pressekonferenz nahmen Dignitas Deutschland, der Verein Sterbehilfe, die Giordano-Bruno-Stiftung und die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) teil. Vor zwei Jahren hatten die Karlsruher Richter den Paragraphen 217 Strafgesetzbuch, der eine geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid unter Strafe stellte, für verfassungswidrig erklärt. Zugleich empfahlen sie dem Gesetzgeber, durch Schutzkonzepte Missbrauch zu verhindern.
Die SPD-Politikerin und Beirätin der Giordano-Bruno-Stiftung, Ingrid Matthäus-Maier, erinnerte daran, dass die Wahl von Ort und Zeitpunkt des eigenen Todes laut Gericht zu den Persönlichkeitsrechten gehöre und gegebenenfalls die freiwillige Hilfe von Dritten einschließe. Der Bundestag könne zwar ein Gesetz machen, das Hilfsangebote für Sterbewillige vorsehe. Er müsse aber zugleich sicherstellen, dass Bürger reale Möglichkeiten zum Suizid hätten. Eine Pflichtberatung sei hingegen „unmöglich“.
Die drei Organisationen halfen nach eigenen Angaben 2021 rund 350 Menschen beim Suizid. Nach Angaben des Präsident der DGHS, Robert Roßbruch, begleitete seine Gesellschaft vergangenes Jahr 120 Menschen in den Freitod, darunter acht Ehepaare. Als Hauptmotiv nannte Roßbruch Krebs, neurologische Erkrankungen sowie einen Mix verschiedener Krankheiten und bei Hochaltrigen „Lebenssattheit“.
Diginitas Deutschland begleitete 2021 nach eigenen Angaben 97 Menschen beim Suizid. Beim Verein Sterbehilfe waren es 129 Suizidbeihilfen, so viele wie nie zuvor.
Es brauche kein normatives Schutzkonzept durch den Gesetzgeber, so Roßbruch. Seine Gesellschaft und Dignitas böten eine telefonische „Suizidversuchspräventionsberatung“ an, um die Zahl der Kurzschlusssuizide und riskanter Suizide zu verringern.
Die DGHS sei zwar kein Sterbehilfeverein, vermittle aber ärztliche Freitodbegleitung. Dazu gehörten getrennte Gespräche mit einem Arzt und einem Juristen, um die Urteils- und Entscheidungsfähigkeit sowie die Wohlerwogenheit und Konstanz des Wunsches festzustellen und zu garantieren, dass dieser nicht durch Druck von Dritten beeinflusst sei. Eine Pflichtberatung lehnte er ab. Diese finde nur auf Wunsch statt.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte dagegen den Gesetzgeber auf, „die Tötungshelfer strafrechtlich in den Blick zu nehmen“. Sie müssten juristisch dafür verantwortlich gemacht werden, die freie Selbstbestimmung des Suizidwilligen jederzeit zu garantieren, forderte Vorstand Eugen Brysch. Ebenso dürften organisierte Suizidangebote nicht gegen Gebühr erfolgen. „Wo Geld fließt, ist die Autonomie in Gefahr.“ Auch Brysch lehnte gesetzliche Beratungsregelungen ab. „Denn es ist unmöglich, Selbstbestimmung mithilfe medizinischer oder juristischer Kriterien zu ermitteln.“
In Rom hat die vatikanische Familienbehörde zuletzt Mitte Februar die katholische Position zum Thema Suizidbeihilfe bekräftigt: Sowohl ärztlich assistierter Suizid als auch Sterbehilfe seien keine Formen von gesellschaftlicher Solidarität oder christlicher Nächstenliebe. Der Vatikan bezog sich auf ein angestrebtes Referendum zur Suizidbeihilfe in Italien.(kna)