Mittwoch, 29. Juni 2022
Pilgern für Anfänger

Schöne Erinnerung: Johannes Zenker hat auf dem Jakobsweg seine Beziehung zu Gott erneuert. (Foto: Deborah Pulverich)
Johannes Zenker ist den Jakobsweg gelaufen – mit Turnschuhen
Auf seiner Reise wollte Johannes Zenker Gott suchen. Gefunden hat er auch sehr viel Nächstenliebe und inspirierende Gesprächspartner.
Bis auf ein paar Videos, „um zu entscheiden, ob ich den Camino del Norte laufe oder den Camino Francés“, hat sich Johannes Zenker nicht auf seine Pilgerreise vorbereitet. Gewählt hat er schließlich den Camino del Norte und er hat danach über seine Erfahrungen ein Buch verfasst: „Und plötzlich Pilger“.
Die 830 Kilometer ist der heute 34-jährige Journalist aus Osnabrück mit simplen Turnschuhen gewandert, die schon vor dem Start quasi kein Profil hatten. Ein Gutes aber hatte die bescheidene Besohlung: Zenker wurde oft darauf angesprochen und konnte neue Kontakte knüpfen. Und die waren auf dem ansonsten recht einsamen Weg Gold wert.
Die Begegnungen auf seiner Pilgerreise haben Zenker geholfen, sich selbst anzunehmen, „weil man dort so viel Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft von anderen erfährt“. Immer wieder wurde er vollkommen vorbehaltlos aufgenommen.
Aber braucht es wirklich noch einen Pilgerbericht vom Jakobsweg? Diese Frage stellt sich unweigerlich, bevor man Zenkers Buch aufschlägt. Doch die berührenden Dialoge, von denen er erzählt, räumen diese Zweifel aus dem Weg.
Zum Beispiel der mit David, dessen Bruder sich vor einigen Jahren das Leben genommen hat. Er sagt zu Zenker: „Die Zeit mag alle Wunden heilen, aber auf dem Jakobsweg verheilen sogar Narben.“
„Vielleicht gibt es Gott ja doch“
Zenker verpackt die Unbedarftheit, mit der er sich auf den Weg gemacht hat, höchst unterhaltsam in Worte. Und macht damit auch denen Mut, die den Weg selbst noch laufen möchten.
Johannes Zenker ist mit dem christlichen Glauben aufgewachsen. Auf dem Jakobsweg ist er gepilgert, weil „ich will, dass es Gott gibt und weil ich mich auf die Suche nach ihm begeben wollte“, wie er sagt. Der studierte Geschichtswissenschaftler hatte zu Beginn des Weges Zweifel an der Existenz Gottes. Während der unzähligen Stunden, die Zenker auf dem Jakobsweg mit sich und seinen Gedanken alleine war, kamen ihm Erinnerungen an frühere Glaubenserfahrungen in den Sinn. Wenn es ihm früher schlecht gegangen war, hatte er oft gebetet und danach ging es ihm besser.
Mitten auf dem Weg dachte Zenker nun plötzlich, dass damit doch eigentlich die Existenz Gottes bewiesen ist. Oder? So naiv zu glauben, dass er den „unumstößlichen Gottesbeweis“ in den Händen halte, sei er nicht, schreibt er: „Aber ich bin es Gott schuldig, auch die Indizien, die für seine Existenz sprechen, vor meinem inneren Gericht in die Waagschale zu werfen.“
Zenkers Beziehung zu Gott ist auf dem Jakobsweg „wieder etwas wärmer geworden“. Heute sagt er deshalb: „Vielleicht gibt es Gott ja doch und es lohnt sich, sich auf die Suche nach ihm zu begeben.“ Sobald wie möglich möchte Zenker deshalb auch noch einmal lospilgern. (Theresa Brandl)
Johannes Zenker: Und plötzlich Pilger. Adeo Verlag. 256 Seiten. 20 Euro.