Donnerstag, 07. Juli 2022
Wie wird man glücklich?

Clemens Bittlinger und Pater Anselm Grün während ihres Dialogkonzerts in der Frankenthaler Ludwigskirche. (Foto: Ecker)
Frankenthal: Clemens Bittlinger und Pater Anselm Grün geben Antworten
Der Benediktinerpater Anselm Grün und der Liedermacher Clemens Bittlinger taten sich zusammen, um in einer von Pandemie und Kriegswirren beherrschten Welt einen Mut und Zuversicht verbreitenden Gegenpol zu setzen. „Zum Glück gibt es Wege“ überschrieben sie ihr außergewöhnliches Dialogkonzert, das am 20. Juni auf Einladung des Fördervereins Kirchenmusik knapp 300 Zuhörer in der St. Ludwigskirche in Frankenthal in seinen Bann zog.
Während Bittlinger als versierter Geschichtenerzähler in seinen eingängigen Liedern mit einem humoresken Augenzwinkern die weltliche Sicht der Dinge beleuchtete und zum Mitsingen animierte, näherte sich Pater Anselm mit seinen in freier Rede vorgetragenen Gedanken der Thematik von der biblischen Seite. Am Beispiel der acht Seligpreisungen verdeutlichte er, dass Jesus den Weg ins Glück zeige. „Wir müssen uns von Illusionen verabschieden und so sein, wie wir sind.“ Viele seien unglücklich, weil sie bewerteten.
„Viele sind unglücklich, weil sie bewerten“
Der 77-jährige Ordensmann vom Kloster Münsterschwarzach, der als meist verbreiteter Autor spiritueller Bücher im deutschsprachigen Raum gilt, gab den Rat, mehr Mitgefühl zu zeigen und sich mit den Menschen verbunden zu fühlen. „Das macht glücklich, es entsteht Kreativität und Leben.“ Auch bedürfe es mehr denn je einer barmherzigen Sprache, „die mütterlich mit den Menschen umgeht“.
Dass die persönliche Begegnung Glücksmomente hervorrufen kann, zeigte Grün mit der Geschichte von Maria und Elisabeth auf. Wichtig sei, mit dem eigenen Verhalten nicht immer einen bestimmten Zweck zu verfolgen, sondern an den anderen zu glauben und in ihm den Himmel zu sehen. „Dadurch entsteht eine Atmosphäre von Glück.“ Untrennbar damit verbunden ist das Vertrauen, das Clemens Bittlinger – musikalisch unterstützt von dem Schweizer Keyboarder David Plüss und dem Perkussionisten David Kandert – mit dem Lied von dem kleinen Mädchen, das sich in die Arme des Vaters fallen lässt, thematisierte.
Heiterkeit löste beim Publikum die Bemerkung Bittlingers aus, dass viele während der Pandemie aufgeräumt hätten, aber nicht bis zum Speicher vorgedrungen seien. Mit Anselm Grün – beide sind seit dem ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin freundschaftlich verbunden – war sich der im Odenwald lebende protestantische Pfarrer einig, dass auch Aufräumen einen Weg zum Glücklichsein aufzeigen könne. Dabei musste der bärtige Mönch einräumen, dass auch sein Schreibtisch im Kloster hin und wieder eine ordnende Hand vertragen könnte. Des Buches „Die Anleitung zum Unglücklichsein“ des österreichischen Psychologen Paul Watzlawick hätte es nach Auffassung Bittlingers in Deutschland nicht bedurft. „Selbst wenn bei uns alles stimmt, zieht‘s irgendwo.“
Dass Glück häufig mit Shopping und übersteigertem Konsumdenken verbunden wird, inspirierte den 62-jährigen Liedermacher zu dem Song „Manche Not kommt aus dem Vergleich“. Glücklich sei nur derjenige, der sich innerlich davon freigemacht habe, sich ständig vergleichen zu müssen, ergänzte der Benediktinerpater. Es war ein ergreifender Moment, als Anselm Grün zum gemeinsamen Gebet „Herr, kehre ein in dieses Haus und lass‘ deine heiligen Engel darin wohnen“ einlud. So beginnt der 1 600 Jahre alte Text, den viele Nonnen und Mönche jeden Abend sprechen. Da waren die spirituelle Präsenz des charismatischen Ordensmannes und seine schlichte Zugewandtheit deutlich zu spüren.
Zuhörer erhielten zum Abschluss einige Denkanstöße
Bevor das Konzert mit „Amazing Grace“ und „Sei behütet“ besinnlich ausklang, gab Anselm Grün den Zuhörern noch ein paar Denkanstöße mit auf den Weg. Auch als Einsamer könne man zum Glück finden. Man müsse es nur wagen, um Hilfe zu bitten und mit anderen in Kontakt zu treten. Und vor dem Krieg in der Ukraine und dem Leid vieler Menschen dürfe niemand die Augen verschließen. Allerdings helfe es nicht, in Ohnmacht und Passivität zu verharren. „Solange ich bete, habe ich Hoffnung“, war sich Grün sicher. (loi)