Donnerstag, 12. Januar 2023
Gegen Kinderarbeit, für Sonntagsruhe
Vor 175 Jahren erschien die erste Bistumszeitung
Es ist ein besonderes Jahr, in dem Deutschlands erste Bistumszeitung startet. „Der Christliche Pilger“ in Speyer kommt am 1. Januar 1848 mit dem Ziel heraus, „die Botschaft Christi weiterzutragen“.
1848 ist das Jahr, in dem Karl Marx und Friedrich Engels ihr Kommunistisches Manifest veröffentlichen und das erste gesamtdeutsche Parlament in der Frankfurter Paulskirche tagt. In Mainz treffen sich Delegierte beim ersten deutschen Katholikentag. Die katholische Kirche in Deutschland erlebt eine Phase der geistigen Erneuerung und des Aufbruchs.
Mit dem Titel erste Kirchenzeitung kann sich „Der christliche Pilger“ nicht schmücken: 1846 wird der „Evangelische Kirchenbote“ als Sonntagsblatt für die Pfalz gegründet – und auf katholischer Seite erscheinen, wie der Publizist Michael Schmolke notiert, zuvor die Frankfurter „Katholische Kirchenzeitung“, das „Süddeutsche katholische Kirchenblatt“, die Mainzer „Katholischen Sonntagsblätter zur Belehrung und Erbauung“ und das Düsseldorfer „Rheinische Kirchenblatt“. „Der christliche Pilger“ ist jedoch die erste Zeitung auf Bistumsebene. Unterstützt vom medienerfahrenen Bischof Nikolaus von Weis, bringt der noch recht junge Domvikar Franz Hällmeyer (1814-1880) die Publikation 1848 heraus. Die Zeitung kämpft gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit, tritt ein für die Abschaffung der Kinderarbeit und die Einhaltung der Sonntagsruhe.
Hällmeyer stammt aus ärmlichen Verhältnissen, aus Bobenheim bei Worms, aber Klassenkampf, wie ihn Karl Marx fordert, geht ihm entschieden zu weit. Und er lehnt auch das Staatskirchentum ab, das die Kirchen mit zahlreichen Vorschriften überzieht.
Wiederholt weht der Redaktion ein rauer Wind entgegen, etwa im späten 19. Jahrhundert, der Zeit des Kulturkampfs, in dem Katholiken unterdrückt werden. Ab 1933 stemmt sich der „Christliche Pilger“ gegen die NS-Diktatur. Chefredakteur Nikolaus Lauer bezieht klare Positionen. Die Bistumszeitung verschweigt nicht die Ausschaltung politischer Gegner und Zeitungen durch die Nationalsozialisten und auch nicht die Ausschreitungen gegen Juden.
Mehrfach wird Lauer vorgeladen, verhört und bedroht, sein Haus wird durchsucht. Doch die Auflage steigt zwischen 1934 und 1941 von etwa 40 000 auf 53 000 Exemplare. Dann wird das Blatt verboten und die Druckerei zwangsverpachtet.
Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg lässt die französische Militärregierung das Blatt wieder zu. Die Beschaffung von Papier macht Schwierigkeiten, aber die Zahl der Abonnenten wächst weiter. Seit 1960 trägt die Zeitung den kürzeren Titel „Der Pilger“, seit 2014 mit dem Zusatz „Kirchenzeitung der Katholiken im Bistum Speyer“. (Christof Haverkamp)