Redaktion der pilger

Montag, 20. Februar 2023

„Humor steht immer über den Dingen“

Mit Clownsnase auf die Bühne: Diakon Willibert Pauels tritt regelmäßig als Büttenredner und Sänger auf. (Foto: imago images/Rene Traut)

Warum Diakon Willibert Pauels gerade in diesem Jahr besonders leidenschaftlich Karneval feiern möchte

Jahrelang trat der Kölner Diakon Willibert Pauels als „Ne bergische Jung“ auf großen Karnevalssitzungen auf. Im Interview spricht er über seine Vorliebe für kleine Veranstaltungen und über die Grenzen von Humor.

In diesem Jahr wird der 200. Rosenmontagszug in Köln groß gefeiert. Wie stehen Sie als „Ne bergische Jung“ zu dem Umzug?

Ich zitiere da gerne meinen Freund, den Satiriker Jürgen Becker. Er sagt immer: „Dem Kölner ist das eigentlich egal, ob Christopher Street Day oder Fronleichnamsprozession, Hauptsache Umzug“ – und da ist was dran. Diese Umzüge sind einfach wunderbar, schon die alten Römer ließen es bei ihren Saturnalien ordentlich krachen. Der Rosenmontagszug ist eine Demonstration reiner Lebensfreude.

Die fünfte Jahreszeit ist längst auch ein knallhartes Geschäft. Den Sitzungskarneval drücken Inflation und hohe Energiekosten. Macht der organisierte Karneval überhaupt noch Spaß?
Für mich kommt es darauf an, welche Atmosphäre im Saal herrscht. In gewisser Weise muss natürlich alles organisiert werden, auch eine Pfarrsitzung. Aber wenn es zu groß wird, dann ist es schon mit sehr viel Stress verbunden. Manche großen Kölner Karnevalsgesellschaften haben inzwischen elf, zwölf Sitzungen in teuren, großen Sälen. Da muss man schon gut rechnen und organisieren. Hier gilt meines Erachtens die alte Erkenntnis: Weniger ist mehr. Ich hatte die Hoffnung, dass der Karneval durch Corona und – so paradox das auch klingt – durch die Verteuerung von Strom und anderem ein bisschen runterfährt, auf ein kleineres Niveau. Und das kann man dann auch leichter organisieren.

Macht das aber auch genauso viel Spaß?
Die schönsten Sitzungen sind die, wo nicht für teuer Geld Spitzenkräfte eingekauft werden, sondern wo man selber wie bei den Pfarrsitzungen seine Reden und die Feier organisiert, ohne die bekannten Karnevalsgrößen. Meine Kollegen und ich gehen gerne auf solche kleine Veranstaltungen, weil da eine authentische Atmosphäre herrscht. Die Leute sind dort einfach mit dem Herzen dabei. Anders als bei manchen großen Sitzungen, wo mancher im Publikum von irgendwelchen Firmen eingeladen wurde und vielleicht nur wenig mit Karneval am Hut hat ...

In den letzten Jahren hat Corona den Jecken einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dann begann am 24. Februar 2022 der Ukraine-Krieg. Darf man in diesem Jahr überhaupt unbeschwert Karneval feiern?
Aber selbstverständlich! Leider ist der Ukraine-Krieg nicht der einzige entsetzliche Krieg dieser Tage. Schon seit Jahren und Jahrzehnten toben etwa in Jemen oder Afghanistan mehr oder weniger versteckt Kriege und Konflikte, fließen Blut und Tränen. Deshalb ist es eine grundsätzliche Entscheidung, ob ich angesichts der Abgründe in dieser Welt feiern kann.

So manch einem dürfte der Ukraine-Krieg die Feierlaune dennoch verleiden.
Dieser entsetzliche, von einem größenwahnsinnigen Diktator angezettelte Krieg ist für mich als Christ und gläubiger Mensch erst recht ein Grund, besonders leidenschaftlich Karneval zu feiern! Denn das Drama und die Schönheit dieser Welt spielen sich immer zwischen den Polen von Karfreitag und Ostern ab. Das Lachen und die Leichtigkeit und auf der anderen Seite Drama und Leid mit ihrer österlichen Perspektive gehören unbedingt zusammen. Ostern ohne Karfreitag ist widersinnig, aber Karfreitag ohne Ostern ist zum Verzweifeln. Humor steht immer über den Dingen, auch über den grausigen. Das Wesen von gesunder Religiosität ist für mich die österliche Hoffnung: Ostern mit der Auferstehung und der Überwindung allen Leids ist die radikalste Perspektive überhaupt. In meinen Reden baue ich zum Schluss immer eine kleine Osterpredigt ein. Die Leute sind dann mucksmäuschenstill, weil es sie so berührt.

Nicht nur im Erzbistum Köln dürfte der Unmut über Kardinal Woelki ein gefundenes Fressen für Motivwagen sein. Können Sie als Vertreter des katholischen Bodenpersonals noch darüber lachen? Wo hört für Sie der Spaß auf, wenn die Kirche wieder ihr Fett abbekommt?
Grundsätzlich darf und muss Satire alles; sie darf nur nicht Menschen demütigen und entwürdigen. Das ist eine sehr große Gratwanderung. Mir tut der Kardinal leid, wenn er auf Mottowagen unter der Gürtellinie angegangen wird. Die Würde des Menschen, auch die des Kardinals, ist unantastbar. Ich bemühe mich, die Grenze der Würde einzuhalten. Meine Reden beginne ich immer mit folgendem Witz: „Ich wollte Kardinal Woelki ein Fahrrad schenken, der hat es nicht angenommen. Klar, das Fahrrad hat einen Rücktritt ...“ Der Saal ist am Grölen. Dieser Gag geht für mich nicht an die Würde von Kardinal Woelki.

Trotzdem können auch Sie sich diesen Seitenhieb nicht verkneifen ...
Wenn ich Kardinal Woelki wäre, würde ich sagen: „Lieber Papst, in der Freiheit des Christenmenschen und in österlicher Freiheit möchte ich aus Liebe zur Kirche, zur Religion und zu mir selber zurücktreten.“ Nicht als Schuldeingeständnis, denn er hat sehr viel für die Missbrauchsaufklärung getan. Aber mittlerweile ist es schon Starrsinn, und jeder Mensch kann zurücktreten und sollte nicht auf die Entscheidung des Papstes warten. Das habe ich ihm schon vor einem Jahr gesagt und bekam dann einen Anschiss von Köln, dass ein Diakon in der Öffentlichkeit seinem Bischof keine Ratschläge geben dürfe. Dennoch würde ich ihm sagen: „Habe den Mut, auch zu dir selbst gut zu sein, und nimm dich raus aus diesem demütigenden Dauerfeuer.“ Für mich ist seine beharrende Haltung nicht heldenhaft, sondern ein Ausdruck von Dolorismus. Diese Haltung, bei der man im Schmerz einen Sinn und als Zeichen der Nachfolge Jesu sieht, wird von der Kirche eigentlich verurteilt. Schmerz ist nie gut und auch nicht wertvoll.

Kommen wir zurück zum Karneval. Wie kann man mit Blick auf Energiekrise und Inflation das Gute auch bei abgespecktem Feiern bewahren?
Ich freue mich, dass es inzwischen wieder mehr Nostalgie- oder Flüstersitzungen gibt als Alternative zum lautstarken Partykarneval mit den großen Bands. Die Menschen spüren und lieben es, wenn so eine Sitzung wieder ursprünglicher und weniger kommerzialisiert ist. Am besten in Stimmung kommt man beim Karneval auf der Straße und in Kneipen. Man sollte dort hingehen, wo auch die Einheimischen feiern – also nicht an den bekannten Hotspots, wo sich auch Zugereiste treffen. Wenn man sich dann mit den Einheimischen treiben lässt, dauert es nicht lange, bis man die heilende Kraft dieser gemeinschaftlichen Feier erlebt. Wer sich dabei nicht mit berauschenden Getränken betäubt, erlebt ein wunderbares, alle Klassen übergreifendes Fest.

Das Gespräch führte Angelika Prauß (Katholische Nachrichten-Agentur)

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