Redaktion der pilger

Mittwoch, 08. März 2023

Ein Papst mit vielen Facetten

Sehr menschenfreundlich: Franziskus begrüßt geflüchtete Kinder im EU-Aufnahme- und Identifizierungszentrum auf Lesbos. (Foto: Vatican Media/Romano Siciliani/kna)

Seit zehn Jahren ist Papst Franziskus im Amt. Er überrascht die Menschen mit seinem bescheidenen Auftreten. Er geht auf Obdachlose, Arme und Flüchtlinge zu, sucht interreligiöse Bündnisse, setzt bemerkenswerte Zeichen. Doch er wird auch kritisiert.

Neuer Stil
Als Papst Franziskus kurz nach seiner Wahl auf die Benediktionsloggia am Petersdom trat, war schnell klar: Hier kommt einer, der einen neuen Stil in der Kirche prägen will. Franziskus tritt radikal bescheiden auf. Er verzichtet auf rote Mäntel und trägt lieber eine schlichte weiße Soutane und ein Blechkreuz. Statt im Apostolischen Palast wohnt er im Gästehaus Santa Marta, statt in einer Limousine lässt er sich in einem Mittelklassewagen fahren. In seinem Schreiben Evangelii gaudium betont Franziskus, dass Ziel der Kirche dürfe nicht sein, stolz, schön und unversehrt zu sein. Sie müsse sich auf den Weg zu den Menschen machen und sich verbeulen lassen. Gold und Brokat passen nicht zu dieser Aufgabe – er lebt das vor.

Große Nähe
Papst Franziskus scheut sich nicht, auf Menschen zuzugehen: Er tröstet weinende Kinder, er umarmt schwerkranke Menschen und herzt Obdachlose und Arme. Er will, dass die Kirche sich den Menschen öffnet, besonders auch denen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt werden. So sucht er immer wieder auch Kontakt zu Obdachlosen und Häftlingen. 2015 organisierte er für 150 Obdachlose eine Führung durch die Vatikanischen Museen und sagte in der Sixtinischen Kapelle zu ihnen: „Willkommen. Dieses hier ist das Haus aller, es ist euer Haus.“ Im Dezember 2022 ehrte er den Obdachlosen Gian Pero mit dem Mutter-Teresa-Preis; Pero gibt einen Teil seiner eingenommenen Almosen an noch bedürftigere Menschen weiter. Immer wieder isst der Papst mit Obdachlosen, zum Beispiel im Speisesaal des Gästehauses Santa Marta.
Ebenso wichtig ist Franziskus der Kontakt zu Häftlingen. In seinem Buch „Der Name Gottes ist Barmherzigkeit“ schreibt er, der sich selbst als Sünder sieht: „Immer, wenn ich zu einem Besuch oder zu einer Feier die Schwelle einer Haftanstalt überschreite, kommt mir der Gedanke: Warum sie und nicht ich?“ Seit seiner Wahl besuchte Franziskus jedes Jahr am Gründonnerstag Gefängnisse, feierte dort Gottesdienst mit Insassen verschiedener Religionen und Nationen, wusch und küsste ihnen die Füße.

Starke Freundschaft
Geschwisterlich – so soll in Franziskus’ Augen das Verhältnis zwischen den Religionen sein. Mit Ahmad al-Tayyib, dem Scheich und Groß-Imam der Azhar in Kairo, verbindet ihn eine solch brüderliche Freundschaft. Gemeinsam unterzeichneten sie 2019 in Abu Dhabi das Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt. Die beiden geistlichen Oberhäupter betonen darin, wie wichtig gegenseitiger Respekt und Toleranz sind, um Kriege zu verhindern und für den Frieden zu arbeiten.

Überraschende Anrufe
Was vorher undenkbar erschien, ist in den vergangenen zehn Jahren häufig passiert: Jemand geht ans Telefon – und der Papst ist dran. Franziskus greift gern selbst zum Hörer und überrascht die Menschen am anderen Ende der Leitung. So telefonierte er mit einem jung verwitweten Familienvater oder sprach mit einem Priester aus Neapel über dessen Jugendarbeit. Manchmal kam aber selbst ein Papstanruf zur falschen Zeit: Die Silvestergrüße an spanische Ordensfrauen konnte Franziskus nur auf den Anrufbeantworter sprechen. „Was könnten die Nonnen denn gerade tun, was sie daran hindert, das Telefonat anzunehmen?“, fragte er sich amüsiert. Tatsächlich waren die fünf Karmeliterinnen beim Mittagsgebet. Nach mehreren Anrufen im Vatikan konnten die Ordensfrauen einige Tage später doch noch mit Papst Franziskus sprechen.

Flehende Appelle
In Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sieht Papst Franziskus sich in der Rolle des Friedensstifters und Vermittlers. Er sprach mit ukrainischen Frauen und Kindern, und er küsste eine Flagge, die in Butscha gefunden worden war – in dem Ort, in dem russische Soldaten Kriegsverbrechen verübt haben. Aber er schweigt über den Aggressor des Krieges: Dass Franziskus den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht als Kriegstreiber benennt, macht viele Menschen in der Ukraine und in Deutschland wütend. Nachdem im vergangenen Herbst der griechisch-katholische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk Franziskus besucht und persönlich vom Hass und der Gewalt der russischen Angreifer in seiner Heimat berichtet hatte, wurden immerhin die Appelle des Papstes deutlicher: „Ich bitte den Präsidenten der Russischen Föderation, diese Spirale der Gewalt und des Todes auch um seines Volkes Willen zu beenden.“

Wichtige Zeichen
Papst Franziskus war erst wenige Monate im Amt, als er im Juli 2013 seine erste Reise auf die Insel Lampedusa unternahm. Zehntausende Flüchtlinge waren dort gestrandet, Tausende ertranken im Mittelmeer. Franziskus’ Reise war ein wichtiges Signal an Regierungen weltweit: Seht, wie diese Menschen leiden! Helft ihnen! Ändert eure Politik! Die weltweiten Fluchtbewegungen bezeichnet der Papst als größte humanitäre Katastrophe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Er fordert von reichen Ländern mehr Großzügigkeit. 2019 rief er jede katholische Pfarrei und Ordensgemeinschaft dazu auf, Geflüchtete aufzunehmen. Er selbst holte mit Hilfe der Gemeinschaft Sant’Egidio mehrfach Familien aus Flüchtlingslagern nach Italien und beherbergte sie zeitweise in vatikanischen Häusern.

Vielstimmige Kritik
Den einen ist er zu liberal, den anderen zu konservativ: Papst Franziskus ist kirchenpolitisch in einer schwierigen Situation. In seinen ersten Jahren hofften viele Gläubige, Franziskus würde entscheidende Reformen in der Kirche voranbringen, etwa zur Mitbestimmung von Laien oder zur Frauenfrage. Diese Hoffnung gründete auf seiner Bescheidenheit, seiner Herzlichkeit und seinem lautstarken Einsatz für Klimaschutz und Flüchtlinge und gegen Auswüchse des Kapitalismus. Manch einer dachte wohl: Ein Papst, der politisch eher links ist, ist bestimmt auch kirchenpolitisch links.
So einfach aber ist die Sache nicht. Zwar entließ der Papst 2017 den konservativen deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der Glaubenskongregation und gab ihm keinen neuen Posten innerhalb der Kurie. Die liberalen Reformwünsche des Synodalen Wegs in Deutschland aber weist er immer wieder in die Schranken. Immerhin: Papst Franziskus beendet die deutschen Diskussionen nicht mit einem endgültigen „Basta!“, sondern fördert durch seinen weltweiten synodalen Prozess den Austausch über die Reformfragen, die auch Gläubige in vielen anderen Ländern umtreiben. (Kerstin Ostendorf)

Artikel teilen:

Weitere Nachrichten

31.05.23
Redaktion der pilger

Gärtnern für die Artenvielfalt

Jeder freut sich über eine üppig grünende Natur und prachtvoll blühende...
31.05.23
Redaktion der pilger

Kirchen erleben

Tipps zur Kirchenführerausbildung und zum Erkunden auf eigene Faust
31.05.23
Redaktion der pilger

Speyerer Kult(o)urnacht

Musik, Lesungen, Ausstellungen und Theater für Aufgeweckte
31.05.23
Redaktion der pilger

Viele schöne Erinnerungen

Karmelschwestern verlassen nach 65 Jahren Hauenstein – Abschiedsgottesdienst am 9....
31.05.23
Redaktion der pilger

Verbunden in Liebe und Leben

Wir sind eingebunden in die Dreieinheit Gottes
24.05.23
Redaktion der pilger
News-Feed (RSS) von der Zeitungsseite in die Webfamilie

Fernsehgottesdienst zu Pfingsten von der...

Die ARD überträgt am Pfingstsonntag einen Open-Air-Gottesdienst mit dem Titel...
24.05.23
Redaktion der pilger

Flüchtlingswelle erwartet

Bischof der Diözese Wau im Südsudan ruft zu Solidarität auf
24.05.23
Redaktion der pilger

Prozession mit Pferden und Traktoren

Am Pfingstmontag, 29. Mai, findet wieder der traditionelle Bruder-Konrad-Ritt in...
24.05.23
Redaktion der pilger

Gegenpol zur digitalen Bilderflut

Im Trend: Vor allem junge Leute entdecken die analoge Fotografie wieder
24.05.23
Redaktion der pilger

Zusammenarbeit ist maßgeblich

Seelsorge für Studierende in Kaiserslautern mit ökumenischem Schulterschluss
24.05.23
Redaktion der pilger

Das Fest der Erneuerung

Doch sie geschieht im Alltag und beginnt bei uns
19.05.23
Redaktion der pilger

Die Hoffnung soll leben

Mitten im Krieg schenken Renovabis und Caritas International den Menschen in der...
19.05.23
Redaktion der pilger

Kunst und ein Natur-Paradies

Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte feiert 150-jähriges Bestehen
19.05.23
Redaktion der pilger

Wandern für den Dom

Geführte Wanderungen im Rahmen der Aktion Die Pfalz wandert für den Dom
19.05.23
Redaktion der pilger

Synodalen Weg evaluieren

Würzburger Bischof Dr. Franz Jung: „Es gibt viele Verletzungen“
19.05.23
Redaktion der pilger
News-Feed (RSS) von der Zeitungsseite in die Webfamilie

Unterwegs für die Hoffnung

Hungertuchwallfahrer aus dem Bundesgebiet treffen sich in Rülzheim
19.05.23
Redaktion der pilger

Teilhabe ermöglichen

Jahresversammlung: Forum Caritas-Ehrenamt beschäftigte sich mit Armut
10.05.23
Redaktion der pilger

Über den Wolken

Wenn man mit dem Flugzeug die Wolkendecke durchstoßen hat, sieht man nur noch einen...
10.05.23
Redaktion der pilger

„Kirche, bist du dabei?“

Missbrauchsbetroffene pilgern mit dem Fahrrad zum Papst
10.05.23
Redaktion der pilger
News-Feed (RSS) von der Zeitungsseite in die Webfamilie

Jubiläumsfeier im Herbst

„der pilger“ begeht sein 175-jähriges Bestehen auf vielfältige Weise
09.05.23
Redaktion der pilger

Einiges im Alltag bereits umgesetzt

Evangelische und katholische Seelsorger lernen gemeinsam „Führen und Leiten in...
09.05.23
Redaktion der pilger

Abschied aus Grünstadt

Die letzten Mallersdorfer Schwestern verlassen ihre jahrelange Wirkungsstätte
09.05.23
Redaktion der pilger

Gegen Maulkorb aus Rom

Zum bundesweiten kfd-Predigerinnentag ergreifen Frauen das Wort im Gottesdienst
05.05.23
Redaktion der pilger

Pilgern vor der Haustür

Sonderausgabe zu den schönsten Wegen im deutschsprachigen Raum erscheint
05.05.23
Redaktion der pilger

Wallfahren ist mehr als beten

Ein Erfolgsrezept: Pilgern mit Kultur, Musik und gutem Essen verbinden
05.05.23
Redaktion der pilger

Orgel und Fahrrad

Sportliches, Kulturgenuss und Landschaftserlebnis am 7. Mai in der Vorderpfalz
05.05.23
Redaktion der pilger

Urmel und Jim Knopf

Museum der Augsburger Puppenkiste zeigt Schau zum 75. Geburtstag
27.04.23
Redaktion der pilger

Im Tal der Mönche

Die Klosterkirche Eußerthal feiert 2023 ihr 875-jähriges Bestehen
27.04.23
Redaktion der pilger

Neues Orgateam und Konzept

Wallfahrten auf den Annaberg bei Burrweiler starten am 11. Juli
27.04.23
Redaktion der pilger

Pilger und Biker

Zu Fuß, mit dem Bus oder auf dem Motorrad kommen Pilger nach Zell
27.04.23
Redaktion der pilger

Friedenswallfahrt in Frankfurt

Katholischer Deutscher Frauenbund lädt am 1. Juli in die Frauenfriedenskirche in...
27.04.23
Redaktion der pilger

Auf zum Hungermarsch

Christi Himmelfahrt: Von Landau aus laufen für Projekte in fünf Ländern Afrikas
27.04.23
Redaktion der pilger

Wallfahrtstag am 13. Mai

Pfarrei Pirmasens erinnert an Pfarreipatron Paul Josef Nardini
19.04.23
Redaktion der pilger

Ein Zeichen für den Frieden

Friedenskreuz auf dem Ruhfelsen in Pirmasens wird erneuert
19.04.23
Redaktion der pilger

Mensch muss entscheiden

Theologe: Einsatz von Künstlicher Intelligenz erfordert Regeln
17.04.23
Redaktion der pilger

Goldene Jahre sind vorbei

Studie sagt sinkende Kirchensteuereinnahmen voraus
17.04.23
Redaktion der pilger

Der Friede sei mit euch

Dieser Friede ist mehr als Abwesenheit von Krieg. Er meint ein umfassend gutes...
17.04.23
Redaktion der pilger

Altes Schwesternhaus war nicht zu retten

Gemeinnütziges Siedlungswerk Speyer errichtet in Maikammer neues Gebäude mit 13...
13.04.23
Redaktion der pilger

Vier Augen sehen besser als zwei

Stephanie Rieth gehört seit vergangenem Jahr neben Bischof und Generalvikar der...
12.04.23
Redaktion der pilger

Aus Liebe zur Liturgie

Es ist schon ungewöhnlich, wenn sich jemand im Ruhestand noch einmal auf...
Treffer 1 bis 40 von 4873