Mittwoch, 22. März 2023
Gläubige in Angst

Christlich, sozialistisch, solidarisch – so präsentiert sich das Präsidentenehepaar Daniel Ortega und Rosario Murillo. (Foto: kna/Tobias Käufer)
Nicaraguas Regime geht massiv gegen die Kirche vor
Die Caritas hat sich aufgelöst, Prozessionen sind verboten, ein Bischof ist in Haft: Die Lage in Nicaragua ist angespannt.
Wer durch Nicaragua fährt, sieht die Plakate des strahlenden Präsidentenpaares: „Christlich, sozialistisch, solidarisch“ ist darauf zu lesen. Machthaber Daniel Ortega und seine Ehefrau Rosario Murillo winken von oben herab. Sie und ihre sieben Kinder sind der Fixstern, um den sich in Nicaragua alles dreht. Seit den Protesten 2018 setzt das Paar Ortega/Murillo Regierungskritiker massiv unter Druck. Beobachter sprechen mittlerweile von nordkoreanischen Verhältnissen.
Zuletzt ging die Familiendiktatur mit aller Härte gegen jene vor, die sich in der Vergangenheit kritisch zur Regierung und zur Lage im Land geäußert hatten: Tausende Nichtregierungsorganisationen sind verboten, darunter auch solche, die sich um die Ärmsten der Armen, um die Schulspeisung von Kindern, um die Betreuung von missbrauchten Jugendlichen kümmerten.
Handelskammern und Unternehmerverbände: verboten. Die Tageszeitung „La Prensa“: verboten. Die Caritas: aufgelöst. Unbequeme Bischöfe und Priester: im Gefängnis oder im Exil. Die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan wurden suspendiert, weil Papst Franziskus in einem Interview Kritik äußerte.
Opposition ist hilf- und machtlos
Nahezu die gesamte politische Opposition in Nicaragua wurde erst eingesperrt, dann außer Landes gebracht. Von dort aus agiert sie hilf- und machtlos.
Zurzeit geht Ortegas Repressionsapparat vor allem gegen die katholische Kirche vor. Das Glaubensleben wird eingeschränkt, selbst kirchliche Prozessionen sind verboten. Priester und Seminaristen, die das Land verlassen haben, werden an der Wiedereinreise gehindert. Berta Valle, Menschenrechtsaktivistin und Ehefrau des kürzlich in die USA ausgeflogenen Ex-Präsidentschaftskandidaten Felix Maradiaga, sieht dahinter eine klare Strategie: „Die Kirche war eine Institution, die Menschenrechtsverletzungen offen anprangerte und sich für das nicaraguanische Volk einsetzte.“
Von Hilfswerken, die noch im Land aktiv sind, heißt es, dass die Stimmung unter den Katholiken sehr angespannt ist. Viele machen sich große Sorgen um den zu 26 Jahren Haft verurteilten Bischof Rolando Alvarez. Von ihm hat man seit Wochen kein Lebenszeichen gehört. Niemand weiß, in welcher Haftanstalt er sich befindet. Die Bischofskonferenz des Landes schweigt – aus Angst, ihm könnte etwas angetan werden.
Alvarez und viele weitere Priester hatten lautstark Gerechtigkeit und Freiheit in Nicaragua gefordert. „Das Regime versucht nun, diese Stimmen und diese Institution, zum Schweigen zu bringen“, sagt Valle. (kna)