Donnerstag, 30. März 2023
Freude und Jubel

Einzug Jesu in Jerusalem. Ikone aus Russland, aus dem 17. Jahrhundert. Nationalgalerie, Prag. (Foto: Nationalgalerie Prag)
Palmsonntag ist ein Präludium des Osterfestes
Großes Aufsehen erregte Jesu Einzug in Jerusalem, von dem alle vier Evangelien erzählen. Dabei streuten Menschen auch Zweige von Bäumen auf den Weg, nach der Tradition Palmen, wonach dieser Sonntag „Palmsonntag“ heißt. Ein Wortgottesdienst mit „Palmprozession“ vor der Heiligen Messe erinnert an Jesu Einzug. Da wird in diesem Jahr die Passage aus dem Matthäus-Evangelium (21,1–11) gelesen, worauf sich auch die folgende Betrachtung bezieht. In der Heiligen Messe selbst steht die Passion nach dem Matthäus-Evangelium (26,14–27,66 oder 27,11–54) im Mittelpunkt der Wortverkündigung.
Recht eindrucksvoll unterstreicht die russische Ikone aus dem 17. Jahrhundert, die unser Bild zeigt, die Herausforderung von Jesu Einzug damals und dann auch für uns heute.
Eindeutig nimmt Jesus und sein Reittier die Mitte der Ikone ein. Ihm folgt von links die Schar der Jünger. Jesus wendet sich zu ihnen und weist auf Jerusalem, Ziel seines Weges, ja, seines Lebens, seiner Sendung. Rechts, vor dem Stadttor, stehen bärtige Männer, die die „Hüter“ des Tempels, der Lehre und der Schrift repräsentieren.
Hinter dem Tor ist der Tempel zu sehen, dessen Herr Jesus ist. Sein Anspruch, der Sohn Gottes zu sein, ist der Grund, dass sie ihn hinrichten werden. In der Mitte ragt eine hohe Palme empor, in deren Krone einer Zweige bricht, die ein anderer auffängt. Auf dem Weg liegen Kleidungsstücke, „kleine“ Menschen rechts unten legen noch eines vor das Reittier.
Doch als erstes zieht dieses helle Weiß des Reittiers den Blick auf die Mitte der Ikone, dann aber sogleich auch Jesu Art und Weise, wie er auf dem Reittier sitzt. Nach der Schrift ist es das Fohlen einer Eselin, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Und Jesus sitzt auf ihm, ohne einen Sattel, mit fast unsichtbarem Zaumzeug und Zügel – und auch noch im „Damensitz“.
So reitet kein „Herr“, kein „Mächtiger“. Die Macht Jesu ist ja auch eine ganz andere: die der Wehrlosigkeit, der Demut, der Friedfertigkeit, der Sanftmut, der Barmherzigkeit – der Liebe. Sie ist die Macht des Lammes, das zum Schlachten geführt wird und doch seinen Mund nicht auftut (Buch Jesaja 53,6), das aber gerade so die mächtigste, wirkungsvollste und nachhaltigste Tat vollbringt, nämlich die „Sünde der Welt“ hinweg nimmt und uns aus Schuld und Tod erlöst (Johannes-Evangelium 1,29; 3,16).
So tritt Jesus auf als der messianische Herrscher, wie er angekündigt wurde: „Ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens“ (Buch Jesaja 9,5). Jetzt erfüllt sich dieses Schriftwort und andere: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist sanftmütig und er reitet auf einer Eselin und auf dem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers“ (Matthäus-Evangelium 21,5).
Groß ist der Jubel: Juble laut, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir! Deine Rettung naht! So ruft auch das Volk Jesus zu: „Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn!“ (Lukas-Evangelium 19,38). Alle um Jesus herum, auf der einen und auf der anderen Seite, kennen diese Schriftworte nur allzu gut, und sie wissen jetzt: Jesus ist der Messias, der Sohn Gottes, der Herr, der Retter.
Dies und der Jubel darüber, bestimmt auch diesen „Palmsonntag“ bis heute, und besonders weil er am Anfang der Karwoche steht und bereits tief erfüllt ist von der österlichen Freude. Das sagt uns: Es bleibt nicht bei der Karwoche, wir bleiben nicht in der Passion gefangen – nicht im Tod, nicht im Grab. Es folgt die Auferstehung, Jesus ist von den Toten auferstanden, ein neues Jubellied erklingt: „Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? … Gott sei Dank, der uns den Sieg geschenkt hat durch unseren Herrn Jesus Christus“ (erster Korintherbrief 15,54–55.57). Der Einzug in Jerusalem ist das freudige Präludium zu diesem grandiosen Sieg.
Diese freudige Leichtigkeit macht die gelöste Haltung Jesu auf dem weißen, reinen Reittier aus, wie diese „nachösterliche“ Ikone zeigt. Das mindert nicht die Allmacht, die er hat, und die Klarheit, mit der er auf den Willen Gottes zugeht und ihn erfüllt. Es ist der milde und barmherzige, der demütige, gütige und liebevolle Jesus. „Er schreit nicht und lärmt nicht, das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus“ (Buch Jesaja 42,2–3). Das hebt sich so wohltuend ab von so manchen kaltherzigen, ausgrenzenden und abweisenden – früher sogar waffenklirrenden und gewaltdrohenden – Aktionen.
Jesus lädt ein – und heute uns: „Lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Matthäus-Evangelium 11,29), und so, nicht anders, tut klar und ohne Wenn und Aber „den Willen meines himmlischen Vaters“. Ja – dann gehören wir zu ihm. (pil)