Freitag, 09. Juni 2023
Mit den eigenen Händen erschaffen

Kursleiterin Nicole Gimber (zweite von rechts) gibt Tipps zum Umgang mit Werkzeug und Stein. (Foto: Würth)
Alleinerziehende Frauen bearbeiten Steine und machen dabei Erfahrungen mit sich und für ihr Leben
Schon von Weitem hört man es im Tal der Heilsbach bei Schönau klopfen. Metall trifft auf Stein. 15 Frauen stehen an Tischen oder Holzklötzen und arbeiten mit Fäustel, Zahneisen, Spitzeisen und anderen Steinmetzwerkzeugen an größeren und kleineren Sandsteinblöcken.
Sie sind mit Leidenschaft bei der Sache, konzentriert, manche gar meditativ. Figuren blicken aus dem groben Sandstein, Gesichter oder Labyrinthe, Reliefs. Mit Handschuhen und Schutzbrille ausgestattet, arbeiten die Frauen schon den ganzen Tag mit wachsender Begeisterung. „Aus Liebe zum Stein“ heißt der Workshop. Nicole Gimber, Steinbildhauerin und Ergotherapeutin aus Busenberg, leitet die Frauen an. Immer wieder gibt sie kleine Tipps, beantwortet Fragen, ermutigt.
Das Wochenende vom 12. bis 14. Mai in der Heilsbach gehört zum Angebot der Diözese Speyer für alleinerziehende Frauen oder Männer. Diesmal sind nur Frauen dabei. Die Kinder haben ein separates Programm, bei dem sie sich offensichtlich sehr wohl fühlen, denn „sie sind einfach verschwunden, es kommt keiner angelaufen wegen irgendetwas“, bemerkt eine der Mütter, schüttelt verwundert den Kopf und genießt es weiter, ihre Arbeit ohne Unterbrechungen fortzuführen.
Betreut werden die Kinder von Ehrenamtlichen, die in ganz jungen Jahren selbst bei solchen Freizeiten dabei waren. Für die Frauen, die in ihrem Leben sonst jede Minute gefordert sind, ist das Arbeiten am Stück wie Erholung. „Es tut so gut, mal mit dem Kopf nur bei dem zu sein, was die Hände gerade tun, und nicht gleichzeitig auf die Kinder achten zu müssen“, freut sich eine der Teilnehmerinnen. „Manche sind zum ersten Mal dabei, andere kennen sich schon von vielen solcher Freizeiten. Auch bei den Kindern sind inzwischen schon Freundschaften entstanden. Die Arbeit am Stein ist für die meisten unbekannt“, erzählt Annette Bauer-Simons, Referentin für Frauenseelsorge mit Schwerpunkt Alleinerziehendenarbeit, die das Wochenende leitet.
Morgens noch vor dem Frühstück gibt es einen gemeinsamen Start in den Tag. Dann gehen Kinder und Mütter getrennte Wege. Viele Teilnehmerinnen machen durch den Stein Erfahrungen mit sich und für ihr Leben. „Wenn was wegbricht, muss man tiefer gehen“, sagt eine Teilnehmerin mit Blick auf ihre Steinbildhauerei, bei der sie festgestellt hat, dass der Stein nicht immer so will, wie sie das gerne hätte. Eine andere hat herausgefunden, „wenn ich es locker angehe, bring ich mehr fertig“. „Beim Arbeiten am Stein kann ich alles loslassen, was mich sonst in meinem Leben gerade belastet oder Sorgen macht“, sagt eine weitere Teilnehmerin.
Die Frauen sind zwischen 28 und 50 Jahre alt. „Zu erleben, wie man mit eigenen Händen etwas Sichtbares aus dem Stein erschaffen kann, puscht den Selbstwert ungeheuer. Das hat man auch bitter nötig, denn wenn man Kinder allein erzieht, hört das eigene Leben erst mal auf“, erklärt eine der Frauen, warum ihr die Arbeit am Stein so viel bedeutet.
Zum Abschluss des Wochenendes gibt es eine Wort-Gottes-Feier, bei der sich alle mit einbringen. „Dieses Wochenende ist eine Möglichkeit, Kirche positiv zu erleben“, sagt Bauer-Simons, und eine der Teilnehmerinnen ergänzt: „Es wird ja überall nur über die Kirche gemeckert, aber was wir hier erleben, ist super; das muss auch mal gesagt sein.“ Das Bistum gewährt zum Wochenende einen Zuschuss, ohne den die Frauen sich die Veranstaltung nicht leisten könnten. „Wir hoffen, dass das auch noch lange so bleibt, denn das hier ist wirklich Basisarbeit und für manche der Frauen die einzige Gelegenheit im Jahr, mal aus dem Alltag auszusteigen. Denn die meisten können sich finanziell keinen Urlaub leisten“ sagt Bauer-Simons. (wü)
Hinweis: Für die Sommerfreizeit vom 28. Juli bis 4. August in der Heilsbach sind noch Anmeldungen möglich. Auskünfte – auch über weitere Veranstaltungen für alleinerziehende Frauen und ihre Kinder – gibt es bei der Diözesanreferentin für Frauenseelsorge, Annette Bauer-Simons, Telefon 06232/102-438, E-Mail: frauen@bistum-speyer.de