Montag, 24. Januar 2022
"Mit uns nicht!"
Gemeindereferent/innen und Religionslehrer/innen nehmen Stellung zu Münchner Missbrauchsgutachten - BDKJ-Diözesanverband nimmt ebenfalls Stellung
Speyer. Der Berufsverband der Gemeindereferent*innen und Religionslehrer*innen i. K. im Bistum Speyer meldet sich mit einer Stellungnahme zur Veröffentlichung des Gutachtens „Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker sowie hauptamtliche Bedienstete im Bereich der Erzdiözese München und Freising“ zu Wort. Darin heißt es:
Mit großer Betroffenheit haben die Mitglieder des Berufsverbands der Gemeindereferent*innen und Religionslehrer*innen im Bistum Speyer das veröffentlichte Gutachten der Kanzlei WSW München zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Bistum München und Freising aufgenommen. Wie bereits bei den vorausgegangenen Veröffentlichungen in unserer eigenen und anderen Diözesen sind wir fassungslos über das Ausmaß an Vertuschungen, Verharmlosungen und dem Aufbau von Lügengebäuden, einzig und allein zum Zweck der Machterhaltung und des Schutzes der Kirche. Es macht sprachlos und ohnmächtig, was durch die Offenlegung in der Erzdiözese München und Freising deutlich wird: In 21 Fällen hat sich Kardinal Wetter in seiner Funktion als Erzbischof auf die Seite der Täter und nicht der Betroffenen gestellt und selbst unserem emeritierten Papst Benedikt XVI. wird dieses Fehlverhalten vierfach nachgewiesen. Mit der Verbiegung der Wahrheit durch ein ehemaliges Kirchenoberhaupt hat für uns Seelsorger*innen und Religionslehrer*innen i. K. der Skandal des Missbrauchs von Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen eine neue Dimension erreicht. Durch das Verhalten von einzelnen Amtsträgern in leitenden Positionen der Kirche weltweit, die ihren Sendungsauftrag einzig und allein in ihrem Wächteramt für Moral und Schutz der religiösen Deutungshoheit sehen, wird die tägliche gute und segensreiche Arbeit von Seelsorgerinnen und Seelsorgern untergraben und in Misskredit gebracht. Wie kann es sein, dass im zwölften Jahr nach der ersten Veröffentlichung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche Deutschlands und darauf folgender detaillierter diözesaner Studien immer noch Amtsträger jeglichen Anstand und Respekt gegenüber Betroffenen vermissen lassen?
Durch das Abstreiten von (Mit-) Verantwortung werden die Traumatisierten zum wiederholten Male verletzt und im Stich gelassen. Wir sehen mit Sorge, dass viele Seelsorgerinnen und Seelsorger sich schon seit Jahren innerlich von ihrer Kirche verabschieden und nach anderen Berufen Ausschau halten. Wir stellen uns bedingungslos auf die Seite der Betroffenen und unterstützen Bischof Karl-Heinz Wiesemann und Generalvikar Andreas Sturm ausdrücklich darin, den eingeschlagenen Weg der Aufarbeitung und der Entschädigungszahlungen für Betroffene weiter zu gehen. Gleichzeitig setzen wir uns an den Orten, an denen wir als Seelsorgerinnen und Seelsorger arbeiten, für die Erstellung von institutionellen Schutzkonzepten ein und arbeiten zusammen mit ehrenamtlich Engagierten an der Sensibilisierung zu den Themen des Missbrauchs in jeglicher Form. Wir erachten die Anstrengungen des „Synodalen Wegs“ zur Kontrolle der Machtfülle von Klerikern für dringend notwendig und unterstützen sie.
Wir stehen ein für eine Kirche, in der alles dafür getan wird, die Verbrechen der Vergangenheit aufzuarbeiten und jeder und jede dafür arbeitet, dass Missbrauch körperlich, seelisch und geistig, nicht mehr möglich ist.
Es gilt als erwiesen, dass die Struktur der Kirche Missbrauch begünstigt. Deshalb muss aus unserer Sicht die Gestalt der katholischen Kirche partizipativ sein. Frauen und Männer, Kleriker und Laien, müssen in gleichem Maße uneingeschränkt Verantwortung übernehmen.
Für den Vorstand
Petra Benz, Silke Stein, Tanja Rieger, Egle Rudyte-Kimmle, Marina Mathias
Der BDKJ-Diözesanvorstand hat am 25. Januar ebenfalls Stellung zu dem Gutachten genommen und schreibt in seiner Presseinformation dazu:
"Am vergangenen Wochenende hat sich der Diözesanvorstand des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Speyer bereits der Stellungnahme des BDKJ auf Bundesebene angeschlossen. Darin geht es um das „Gutachten 2022 zu sexuellem Missbrauch im Bereich der Erzdiözese München und Freising“ vom 20. Januar 2022.
„Das Ausmaß der dort festgestellten Taten sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen haben uns schockiert.“, sagt Thomas Heitz, Diözesanvorsitzender des BDKJ Speyer, „Unser Mitgefühl gilt den Betroffenen.“ Weiterhin setzen wir uns vehement für die vollkommene Aufklärung von Missbrauch und Vertuschung ein und fordern diese von der Institution sowie den Verantwortung tragenden Bischöfen und weiteren Verantwortlichen. Wir schämen uns für die Institution Kirche und deren führenden Vertretern bis hin zum emeritierten Papst Benedikt, der als Erzbischof von München und Freising von 1977 bis 1982 Leitungsverantwortung innehatte. Insbesondere verurteilen wir das Bestreiten der Teilnahme Ratzingers an der damaligen Sitzung zur Einstellung des missbrauchenden Priesters. „Ein solches Verhalten trägt dazu bei, dass Machtstrukturen aufrechterhalten und Täter weiter sexualisierte Gewalt ausüben können.“ sagt Thomas Heitz.
„Uns als BDKJ Speyer erschüttert zudem, dass dem aus dem Bistum Speyer stammenden Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter Fehlverhalten im Gutachtens nachgewiesen wird“, äußert Andreas Rubel, Geistliche Verbandsleitung im BDKJ Speyer. Friedrich Wetter war von 1968 bis 1982 Bischof von Speyer. In seiner Heimatstadt Landau in der Pfalz wurde er zum Ehrenbürger ernannt und der Platz vor der Marienkirche trägt seinen Namen. Auch wenn noch keine abschließende rechtliche Beurteilung vorgenommen werden kann, sind diese Ehrenbezeugungen bereits jetzt für uns nicht mehr tragbar, zumal viele junge Menschen gerade diesen zentral gelegenen Platz frequentieren. Wir erwarten die Übernahme von persönlicher Verantwortung.
Die Frage, inwieweit sich Bischof Wetter während seiner Amtszeit im Bistum Speyer fehlverhalten haben könnte, bewegt uns sehr.
Es wiegt darüber hinaus schwer, dass zwei weitere ehemalige Speyerer Bischöfe, die später Erzbischöfe von München und Freising wurden, in dem Gutachten für Vertuschung verantwortlich gemacht werden: Michael von Faulhaber und Joseph Wendel."
Diese Meldung und weitere Nachrichten des Bistums wurde veröffentlicht auf der Internetseite www.bistum-speyer.de