Montag, 28. März 2022
„Es war eine harte Zeit für alle Studierenden“
Hochschulseelsorgerin Luise Gruender berichtet über die Erfahrungen der Katholischen Hochschulgemeinden in der Corona-Pandemie
Speyer/Ludwigshafen. Die Katholischen Hochschulgemeinden sind unter normalen Bedingungen beliebte Treffpunkte für Studierende, Lehrende und Mitarbeitende. Doch in der Corona-Pandemie hat sich nicht nur das Leben an den Hochschulen, sondern auch die Hochschulseelsorge verändert. Hochschulseelsorgerin Luise Gruender, die gemeinsam mit Nico Körber die Katholischen Hochschulgemeinden in der Vorderpfalz betreut, berichtet von ihren Erfahrungen in zwei außergewöhnlichen Jahren der Pandemie.
An den Hochschulen hat in den vergangenen zwei Jahren pandemiebedingt vieles nur digital stattgefunden. Was hat das für Euch in der Hochschulseelsorge bedeutet?
Luise Gruender: Ja, es war eine echt harte Zeit für alle Studierenden, aber auch für die Lehrenden. Unsere Hauptaufgabe bestand darin, weiterhin Kontakte zu ermöglichen, ebenfalls online oder pandemiekonform auch in Präsenz. Viele Studierende waren zum Teil gar nicht am Studienort oder fühlten sich dort sehr allein. Hier gab es dann die Möglichkeit, sich online auszutauschen oder zum Beispiel zu zweit eine digital initiierte Stadtrallye zu unternehmen. So lernte man wenigstens im kleinen Rahmen neue Leute kennen, zum Teil sogar über das eigene Studienfach oder den gewählten Studienort hinaus. Gottesdienste durften teilweise in Präsenz stattfinden, jeden Mittwochabend gab es außerdem einen digitalen „Treffpunkt“ mit einem spirituellen Impuls und anschließend einem Austausch. Wir Seelsorger:innen führten sehr viele Einzelgespräche. Inzwischen kenne ich alle schönen Wege rund um die Universitäten…
Die Schulen sind in der Corona-Pandemie ein viel diskutiertes Thema. Man hat den Eindruck, dass die Studierenden demgegenüber fast ein wenig aus dem Blick geraten sind. Als Hochschulseelsorger seid Ihr nah dran an den Studierenden. Wie geht es ihnen heute in der Pandemie?
Luise Gruender: Das stimmt leider. Wir haben nach vier Semestern eine ganze Generation Studierender, die sich noch nie wirklich gesehen, geschweige denn „richtig“ kennen gelernt hat. Letzte Woche fragte mich eine Studentin aus dem 5. Semester nach einem Raum in der Hochschule. Sie war noch nie dort gewesen. Ein weiterer Student beschwerte sich, dass er außer den Online-Kacheln seiner Mitstudierenden niemanden in der Stadt kennen würde. Jetzt suche er Anschluss in einem Chor oder beim Unisport. Doch auch diese Bereiche müssen sich jetzt nach zwei Jahren Pause erst wieder neu finden, denn viele der älteren Semester, die die alten „Traditionen“ noch miterlebten, sind inzwischen mit dem Studium fertig und konnten ihr Wissen teilweise nicht mehr weitergeben. Hier ist viel verloren gegangen, aber ich denke, dass ein Neustart auch viele Chancen bietet. Trotzdem ist die Zahl der Studienabbrecher, bzw. -wechsler sehr hoch. Vermutlich wird sich auch bei einigen das Studium verlängern. Leider waren Auslandssemester so gut wie nicht möglich und vor allem für die internationalen Studierenden war die Pandemiezeit sehr hart: Viele haben seit langer Zeit ihre Familie nicht mehr gesehen und waren vor allem in den Lockdown-Phasen sehr einsam.
Spiegelt sich die Corona-Pandemie auch in den Veranstaltungen der Hochschulseelsorge wieder? Welche Angebote finden aktuell besonders viel Resonanz?
Luise Gruender: Alles, was mit Bewegung und Gemeinschaft zu tun hat, ist sehr nachgefragt. Die Studierenden freuen sich, dass endlich die Mensa, die Bibliothek und diverse Cafés wieder geöffnet haben. Gemeinsames Lernen ist wieder möglich. Länderabende mit gemeinsamem Kochen oder unser Friedensgebet finden gut Zuspruch. Kommende Woche gibt es einen Kuchenverkauf, dessen Erlös wir für die Ukraine spenden wollen. Hier erlebe ich die Studierenden als sehr motiviert. Auch unsere Wanderangebote oder Exkursionen erfreuen sich großer Beliebtheit.
Seit 2020 gibt es auch eine katholische Hochschulgemeinde in Ludwigshafen und in Neustadt. Wie kam es dazu?
Luise Gruender: Die heutige Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft (HWG) in Ludwigshafen ging aus einer Fusion der ehemaligen Evangelischen Fachhochschule und der Fachhochschule Ludwigshafen hervor. Traditionell bestand damit eine enge Verbindung zur evangelischen Kirche, während sich auf katholischer Seite die Wohnortpfarreien in Ludwigshafen und Neustadt um die Belange der Studierenden kümmerten. Vereinzelt wurden Studierende durch die KHG Germersheim, Landau oder Speyer unterstützt. Eine Umstrukturierung in der Hauptabteilung II im Bischöflichen Ordinariat bot die Chance, ab Sommer 2020 diese Lücke im Angebot der Katholischen Hochschulseelsorge zu schließen und auch in Ludwigshafen und Neustadt präsent zu sein – schließlich ist Ludwigshafen der drittgrößte Hochschulstandort im Bistum! Das hat den Vorteil, dass wir ein Programm anbieten können, das speziell für Studierende und Mitarbeitende an den Hochschulen und Universitäten passt. Wir kennen die Verantwortlichen vor Ort und sind als Hochschulseelsorger:innen auf alle Fragen rund um das Studium spezialisiert. Vor allem unser Beratungsangebot wird deshalb sehr gut angenommen.
Als Hochschulseelsorgerinnen und -seelsorger seid Ihr ja an vielen Standorten im Bistum präsent: in Landau, Germersheim, Speyer, Neustadt und Ludwigshafen ebenso wie in Kaiserslautern, Homburg, Pirmasens und Zweibrücken. Sind die Hochschulgemeinden miteinander vernetzt?
Luise Gruender: Ja, natürlich. Die Pandemiezeit hat uns enger zusammengeführt. Es sind unter den Studierenden über die Orte hinweg Freundschaften entstanden und gewachsen. Letzte Woche waren zum Beispiel im Taizégebet in Ludwigshafen auch Studierende aus Germersheim oder Landau da. Im Dezember waren Studierende aus allen Orten gemeinsam im Kloster St. Mathias in Trier. Im Januar waren wir mit vierzig Studierenden aus allen oben genannten Orten für ein Winterwochenende im Schwarzwald. Das war eine beeindruckende Erfahrung, denn so entsteht ein interessanter akademischer Austausch und eine beeindruckende Interdisziplinarität. Auf die gleiche Fragestellung antwortet ein Jurist aus Speyer anders als ein Studierender der Umweltwissenschaften aus Landau, ein angehender Ingenieur aus Kaiserslautern anders als eine Sprachwissenschaftlerin aus Germersheim, eine Medizinerin aus Homburg anders als ein Wirtschaftsstudierender aus Ludwigshafen. Das mag etwas klischeehaft klingen, ist aber ein wirklich zu beobachtendes Phänomen, was uns regelmäßig als positives Erlebnis zurückgemeldet wird. Auch bei unseren Tageswanderungen, die wir oft ortsübergreifend anbieten, kann man das beobachten.
Auf evangelischer Seite gibt es die Evangelischen Studierendengemeinden. Findet da auch eine Zusammenarbeit statt?
Luise Gruender: Alle unsere Angebote sind immer ökumenisch. Deshalb macht es sehr viel Sinn, dass wir alles, was wir tun, ökumenisch abstimmen. Das klappt in der Regel sehr gut. Grundsätzlich ist es sehr wertvoll, nicht allein zu sein, denn so kann man sich ergänzen und austauschen. Für die Studierenden und auch die Mitarbeitenden an den Universitäten und Hochschulen treten wir als „Hochschulseelsorge“ auf. Nur äußerst selten geht es da um eine konfessionelle Zugehörigkeit und das ist auch sehr gut so. Die christliche Botschaft verbindet und vereint uns und es geht sogar noch weit darüber hinaus: Unsere Angebote sind immer offen für alle: Mit Gastfreundschaft, interkultureller Begegnung und Partizipation wollen wir in den Hochschulgemeinden für alle Heimat sein am Studienort.
Weitere Informationen zu den Katholischen Hochschulgemeinden im Bistum Speyer:
https://www.bistum-speyer.de/bildung/hochschule-und-studium/katholische-hochschulgemeinden/
Diese Meldung und weitere Nachrichten des Bistums wurde veröffentlicht auf der Internetseite www.bistum-speyer.de