Donnerstag, 30. Juni 2022
"Nicht Selbsterhalt der Institution, sondern Nähe zu den Menschen"
Gipfeltreffen des Bistums Speyer und der Evangelischen Kirche der Pfalz zum Thema „Corona und andere Krisen und ihre Bedeutung für uns als Kirche“
Speyer. Schon im Frühjahr 2020 wurde deutlich, dass die Corona-Krise in einem bisher unbekannten Ausmaß auch die Kirchen betrifft. Wie in einem Brennglas sind Schwächen und Defizite im kirchlichen Handeln deutlich geworden. Auch andere globale Krisen stellen in massiver Weise die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft auf den Prüfstand.
Die Leitungsgremien von Bistum und Landeskirchen nahmen daher in ihrem diesjährigen Gipfeltreffen in den Blick, welche Lernerfahrungen diese Krisen für eine zukünftige Gestaltung kirchlichen Lebens bedeuten können.
Daniel Hörsch, sozialwissenschaftlicher Referent bei der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi) in Berlin, war Studienleiter und Mitherausgeber der im vergangenen Jahr mit großer Resonanz veröffentlichten Corona-Studie „Lebensgefühl Corona“. Hörsch nannte als Krisen der Gegenwart neben der Pandemie auch den Klimawandel und seine Folgen sowie den Krieg in der Ukraine. Alle Krisen verstärkten – auf unterschiedliche Weise – die Erfahrung von der Verletzlichkeit unseres Lebens, unserer einen Welt und unserer Werteordnung. Das Lebensgefühl vieler Menschen heute sei daher von Unsicherheit und Ohnmacht geprägt. Auch in einer Zeit, in der sich die Kirchen immer mehr in einem Abwärtstrend befinden, volkskirchliche Wirklichkeiten an ihr Ende gekommen sind und selbst eine religiöse Sozialisation nur noch bedingt mit lebensweltlicher Relevanz verbunden ist, zeigten doch empirische Untersuchungen, dass die Frage nach Gott für viele Menschen mit Werten wie Liebe, Geborgenheit und Kraft in Verbindung gebracht wird.
Nach Hörsch besteht aber gerade hier ein wichtiger Ansatzpunkt für die kirchliche Verkündigung: Menschen suchten in unsicheren Zeiten Halt, Orientierung und Begleitung in ihren Alltagsproblemen. Die Kommunikation des Evangeliums werde damit schlichter und praktischer und müsse die Nähe zu den Menschen suchen. Umso notwendiger sei das diakonische Engagement der Kirchen.
Dr. Tobias Kläden, Leiter des Referats Evangelisierung und Gesellschaft bei der Katholischen Arbeitsstelle Missionarische Pastoral (KAMP) in Erfurt, reflektierte in seinem Vortrag die Krisen des 21. Jahrhunderts im Licht der Theologie und der Sozial- und Religionswissenschaften und formulierte aus seiner Perspektive die Herausforderung für die Kirchen heute. Dabei machte er deutlich, wie angesichts der gegenwärtigen Krisen für viele Menschen durch den Verlust von Sicherheit und Kontrolle ein Grundvertrauen ins Leben brüchig geworden sei. Freiheit und Wohlstand werden nicht mehr als selbstverständlich hingenommen. Zudem würden bestehende Ungleichheiten sich noch einmal zusätzlich verschärfen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, nannte Kläden als kleine Schritte, der Wachstumslogik unserer Zeit mit einer Kultur des Aufhörens zu begegnen und uns in die Endlichkeit unseres Lebens einzuüben. Gerade hier könne Kirche zu einem Lernort werden, an dem aus der Erfahrung „dass es so nicht mehr weitergeht“ ein neuer Lebensstil erwachsen könne, der von der österlichen Hoffnung getragen sei.
Am Ende der Veranstaltung ermutigte Kirchenpräsidentin Wüst, in unseren Kirchen nicht so sehr den Selbsterhalt der Institution im Blick zu haben, sondern – in Erinnerung an die Wüstenwanderung des Volkes Israel - mehr mit „leichtem Gepäck“ unterwegs zu sein. Bischof Wiesemann verstärkte diesen Gedanken, in dem er hervorhob, dass das Christentum ja nicht zuerst Lehre oder System, sondern ein Weg sei. Gerade daher sei die ökumenische Weg- und Lerngemeinschaft notwendig, damit wir als Kirchen angesichts der genannten Herausforderungen mehr Glaubwürdigkeit gewinnen.
Text: Susanne Laun/Foto: Klaus Landry
Diese Meldung und weitere Nachrichten des Bistums wurde veröffentlicht auf der Internetseite www.bistum-speyer.de