Dienstag, 16. Februar 2016
Lange Flucht aus brutalem Diktaturstaat
In der Grundschule und Realschule plus in Römerberg unterstützten vier junge Männer aus Eritrea den Hausmeister bei der täglichen Arbeit
Römerberg. Die Schüler der Grundschule und Realschule-Plus in Römerberg wundern sich schon lange nicht mehr über die vier Gehilfen, die Hausmeister Peter Rohr seit gut zehn Monaten bei der täglichen Arbeit unterstützen. Im Gegenteil, wenn die vier jungen Männer aus Eritrea einmal nicht kommen, wird Rohr gleich gefragt, wo sie denn bleiben, sie gehören schließlich dazu.
Jetzt im Winter sind Eyob (25), Michael (25), Haile (22) und Demos (38) vor allem im Schulhaus am Arbeiten, schließlich ist es für sie hier „bisschen kalt“, wie sie sagen. Im Moment sind sie am Streichen. Alles ist sauber abgeklebt, Eyob und Michael rollen Farbe an die Decke. „Räumt zusammen, es gibt Frühstück“ ruft Peter Rohr. Im Nu ist die Bodenabdeckung zusammengelegt, Farbeimer und Werkzeug im Keller verstaut. „Leiter ist oben“, sagt Haile, als Eyob auch die Leiter hinuntertragen möchte, und zeigt ihm, wo sie hingehört. Bei der Arbeit sollen sie auch untereinander Deutsch sprechen. Haile und Demos kehren noch schnell zusammen und ab geht es in die Caféteria, wo ihnen Rohr ein Frühstück gerichtet hat. Bei einer Tasse Kaffee erzählen sie von ihrer Arbeit, ihrer Heimat, der Flucht und ihren Zukunftsträumen.
Eyob, Michael, Haile und Demos haben sich erst auf der Flucht kennengelernt. In Eritrea regiert der Diktator Isayas Afewerki sein Volk mit unvorstellbarer Brutalität. Junge Menschen werden mit 17 Jahren zwangsrekrutiert. „Das Leben ist kurz“, sagt Demos, und meint damit die Lebenserwartung eines Soldaten. Die meisten Menschen sind arbeitslos. So haben sich die vier Männer auf die Flucht gemacht, acht Monate waren sie unterwegs. Zu Fuß ging es zunächst in den Sudan, wo sie mehrere Monate geblieben sind. Von dort ging es mit dem Auto quer durch die Sahara nach Libyen. „Sehr heiß, 60 Grad“, kommentiert Michael. Wieder dauerte es einige Monate, bis es mit der Überfahrt über das Mittelmeer nach Italien klappt. Mit dem Zug kamen sie nach München und schließlich vor 14 Monaten nach Römerberg. Gefährlich sei die Flucht gewesen, besonders für sie als Christen. Die Kreuzanhänger, die sie jetzt stolz um ihren Hals tragen, haben sie verstecken müssen. Haile erzählt, dass in Libyen 49 Christen vom IS abgeschlachtet wurden, nur weil sie Christen waren. „Deutschland ist gut, kein Krieg“, sagt Michael und strahlt. Zweimal im Monat fahren sie nach Mannheim und besuchen dort den Gottesdienst der eritreischen Gemeinde. Sie haben noch Kontakt mit ihren Angehörigen zu Hause, aber nur selten, denn Telefonieren ist teuer. Umso mehr freuen sie sich, dass die Römerberger Beigeordnete Käthe Maier ihnen nun WLan für ihre kleine Drei-Zimmer-Wohnung in Heiligenstein beschaffen möchte. Sie weiß, was die 160 in Römerberg lebenden Flüchtlinge brauchen und kennt jeden persönlich.
Eyob, Michael, Haile und Demos sind froh, dass sie hier bei Peter Rohr arbeiten dürfen. „Den ganzen Tag schlafen und Kaffee trinken ist nicht gut“, sagt Michael. Peter Rohr hat die vier jungen Männer in ihrer ersten Unterkunft in der Jugendförderung in Mechtersheim kennengelernt. Sie haben auch schon beim Bauhof ausgeholfen und als Rohr gefragt wurde, ob er Hilfe brauchen könnte, hat er sich die vier Männer ausgesucht. Der Arbeitstag beginnt morgens um sieben mit einer Tasse heißem Tee und ein bisschen Small-Talk. Dann erklärt Rohr, was ansteht. „Ich versuche, sie überall mitzunehmen, ihnen alles zu zeigen und sie ausprobieren zu lassen“, sagt er.
Egal ob Möbel schleppen, Streichen, Aufräumen, Fliesen, Betonieren, einen Kräutergarten anlegen oder im Herbst das Laub zusammenrechen, Rohrs Gehilfen machen alles mit. Nur an gefährliche Maschinen dürfen sie nicht und das Rasenmähen muss auch warten. Michael lacht und meint, dazu müsste er erst lernen, geradeaus zu fahren. „Ich lasse sie nichts machen, was ich nicht auch selber mache“, sagt Rohr, denn ausnutzen möchte er sie nicht. Die jungen Männer kommen ohnehin öfter, als sie müssten. An den drei Tagen, an denen sie den Sprachkurs in Speyer besuchen, hätten sie eigentlich frei. „Sie kommen trotzdem, denn sie freuen sich, dass sie sich 1,05 Euro in der Stunde dazuverdienen können“, sagt Käthe Maier.
Es ist mehr als nur ein Arbeitsverhältnis, was Rohr und die vier Männer verbindet. Da geht es nicht nur darum, zu lernen wie Arbeit in Deutschland erledigt wird: ordentlich und gründlich, nicht „schnell-schnell, Hauptsache fertig“. Rohr interessiert sich auch für seine Mitarbeiter, hilft ihnen, sich zu integrieren, hat Michael und Eyob im Fußballverein in Heiligenstein untergebracht. Dafür wird er auch schon mal eingeladen, wenn die jungen Männer kochen. „Reis, Huhn, Schaf, Kuh“, zählt Haile auf. „Und ein Kilo scharfes Paprika-Pulver im Monat“, ergänzt Michael lachend. Im Gegenzug zeigt ihnen Rohr, wie man hier grillt.
Die Verständigung auf Deutsch klappt schon ganz gut. Neben den Sprachkursen bekommen sie täglich Besuch von Kurt Bohlender, der mit ihnen Deutsch spricht, liest und schreibt. Die vier haben noch nicht einmal einen Asylantrag stellen dürfen, da die Behörden überlastet sind. Doch sie haben Pläne. Haile würde gerne Busfahrer werden oder in einem Restaurant arbeiten, Michaels Traumberuf ist Bäcker, Demos liebäugelt mit der Landwirtschaft, das kennt er aus Eritrea und Eyob witzelt, dass er ja am liebsten mit Fußball sein Geld verdienen würde.
Text / Foto: Caritasverband für die Diözese Speyer
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