Montag, 02. Mai 2022
"Gerechtigkeit und Frieden küssen sich"

Pirmin Spiegel hielt das Impulsreferat zum Tag der Religionslehrerinnen und Religionslehrer.

Dr. Irina Kreusch, Leiterin der Hauptabteilung Schulen, Hochschulen, Bildung richtete ein Grußwort an die TeilnehmerInnen des Fortbildungstages.

In der Kirche des Priesterseminars startete der Tag mit einem Gottesdienst.
Tag der Religionslehrerinnen und -lehrer im Bistum Speyer – Impulsreferat von Misereor-Chef Pirmin Spiegel zum Thema
Speyer. Unter dem Motto „Gerechtigkeit und Frieden küssen sich (PS 85,11)“ trafen sich am Freitag 90 Religionslehrerinnen und Religionslehrer aller Schulstufen und -arten aus dem Bistum Speyer im Pastoral- und Priesterseminar St. German zu einem Fortbildungstag. Die Veranstaltung begann mit einem gemeinsamen Gottesdienst, den Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer und Vorstandsvorsitzender des Bischöflichen Hilfswerkes Misereor, mit den Pädagogen feierte.
„Aktueller kann ein Thema nicht sein als dieses Zitat aus Psalm 85 – Gott verkündet Frieden“, sagte Dr. Irina Kreusch, Leiterin der Hauptabteilung Schulen, Hochschulen, Bildung, in ihrem Grußwort mit dem Hinweis auf den Krieg in der Ukraine. Der Krieg in Europa entbinde aber nicht von dem Blick auf alle Kriege und damit Ungerechtigkeiten weltweit. Das kirchliche Hilfswerk Misereor helfe den Blick zu weiten, „international zu schauen und dies immer mit dem Blick auf Bildung“, denn Bildung sei ein Schlüssel zum Frieden. „Jede und jeder von Ihnen an Ihrer Schule ist damit als Religionslehrerin und -Lehrer gefragt, gefordert und beauftragt, Schlüsseldienste zu leisten – als Friedensbringer und -vermittler*in“, sagte Kreusch und sprach den Pädagoginnen und Pädagogen ihren Dank dafür aus, auch in schwierigen Zeiten als „Stimme und Gesicht für die katholische Kirche“ zu stehen.
Misereor-Chef Pirmin Spiegel, der aus dem Bistum Speyer stammt, ging in seinem anschließenden Impulsreferat auf grundlegende Dimensionen der in dem Veranstaltungsmotto und dem Psalm 85 in Verbindung gebrachten Begriffe Gerechtigkeit und Frieden ein. Anhand von Bildern aus aller Welt stimmte er die Lehrerinnen und Lehrer auf die Thematik ein. Der „Kuss“ von Gerechtigkeit und Friede drücke die biblische Verheißung aus, dass beides vereint sei, erklärte Spiegel. „Frieden fördert Gerechtigkeit – Gerechtigkeit fördert Frieden. Unfrieden fördert Ungerechtigkeit – Ungerechtigkeit fördert Unfrieden“, so seine grundlegende These.
Mit Gerechtigkeit assoziiere er Fairness, Unparteilichkeit und Gleichheit, sagte Spiegel. Gerecht sein bedeute „das Tun des Richtigen im Sinne der Haltung einer Person, die die Ansprüche anderer berücksichtigt“ und „gerecht sollten zugleich Institutionen sein, die das gesellschaftliche Zusammenleben regeln und ermöglichen“. Es gehe um soziale Gerechtigkeit genauso wie um soziale Chancengleichheit und um ökonomische Verteilungsgerechtigkeit. Ausbeutung, Marginalisierung, Gewalt und Kulturimperialismus, seien Unterdrückungsformen, die zu Ungerechtigkeit führten.
Spiegel sprach sich für eine Ethik der Gerechtigkeit aus, die beinhalte „das Minimum an Recht, das wir dem und der Anderen zugestehen, damit er/sie leben und mit anderen und der Natur zusammenleben kann, jeder und jedem das geben, was ein Leben in Würde möglich macht, Institutionen müssen Rahmenbedingungen setzen, um Ungleichheiten zu vermeiden.“
Frieden zähle zu den ältesten moralischen Begriffen der Menschheitsgeschichte, erklärte der Misereor-Chef. Er betreffe den Nahbereich des menschlichen Zusammenlebens ebenso wie die Beziehungen zwischen Gesellschaften, Völkern oder Staaten. Als „negativen“ Friedensbegriff definierte Spiegel die „Abwesenheit von Krieg“, als positiven „strukturelle und soziale Voraussetzungen um Leben zu gestalten und Lebensentwurf zu verwirklichen“.
Er verwies auf die Veröffentlichungen der beiden großen Kirchen zum Thema Frieden und auf die Äußerungen von Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Fratelli Tutti“. Der Papst warne darin nicht nur vor der Zerstörungsmacht nuklearer, chemischer oder biologischer Waffen sondern betone auch, dass jeder Krieg die Welt schlechter hinterlasse, als er sie vorgefunden habe. „Unsere Welt braucht Frieden und Gerechtigkeit in der Ukraine und weiteren Ländern, die von Krieg und Gewalt betroffen sind“ auch „angesichts der Klimakrise, des Hungers, von Migration und Flucht“, betonte Spiegel.
Im Hinblick auf die Kirche betonte er „unsere Kirche muss sich den Standards von Gerechtigkeit, von Menschenwürde unterziehen. Kirche ist Gesellschaft, religiöses Gemeinwesen, und von daher nicht auszunehmen vom Anspruch auf ein gutes Leben unter dem Kriterium der Gerechtigkeit.“
In Anlehnung an ein Zitat der argentinischen Sängerin Mercedes Sosa appellierte Spiegel an die Pädagoginnen und Pädagogen: „Versuchen Sie, dass Ihnen die Schmerzen ihrer Schülerinnen und Schüler nie gleichgültig werden“. Der Glaube an einen gerechten und menschenfreundlichen Gott könne nur durch die Praxis der Gerechtigkeit glaubwürdig bezeugt werden. „Erzählen Sie den Kindern und Jugendlichen Geschichten des Gelingens“, ermutigte Spiegel die Lehrerinnen und Lehrern, um die jungen Menschen zu stärken und befähigen, sich für eine gerechtere und friedliche Welt einzusetzen. Die Geschichten könnten zeigen: „Weltweit wirken Menschen für Klimagerechtigkeit, gemeinsam sind wir unterwegs, wir können voneinander und miteinander lernen.“
Bei Frieden und Gerechtigkeit gehe es nicht darum, die Brotkrümel, die vom Tisch der Reichen fallen, unter den Armen zu verteilen, sondern darum, „dass wir dafür sorgen, dass es für jede(n) einen Platz gibt am Tisch. Wir können aus der Corona-Pandemie (und weiteren Katastrophen und Kriegen) hervorgehen wie Pilger(innen), mit neuen Prioritäten, und in einer Kultur der Begegnung einander entgegen gehen und entdecken, dass es viele Möglichkeiten gibt, wo Friede und Gerechtigkeit sich küssen können“, so der Misereor-Chef.
Am Nachmittag des Fortbildungstages hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann Gelegenheit in Workshops das Thema des Tages noch einmal aus unterschiedlichen Perspektiven und mit verschiedenen Schwerpunkten zu bearbeiten.
„Ich bin hier, weil ich der Meinung bin, dass sich die Religionslehrer miteinander vernetzen sollten. Es ist ganz wichtig, dass wir uns untereinander kennen und stärken. Meine Erkenntnis von heute ist, dass der Religionsunterricht ein ganz wichtiges Fach ist, weil wir hier über aktuelle Krisen sprechen und sie aufarbeiten können“, so Patricia Wolff, eine der Teilnehmerinnen. „Ich bin heute hier, weil ich mich einmal unterbrechen lassen wollte“, ergänzte Susanne Poppe – in Anlehnung an ein Zitat von Johann Baptist Metz: „Die kürzeste Definition von Religion ist Unterbrechung.“ Und Religionslehrer Hendrik Becker zog das Fazit: „Der Workshop zur Gerechtigkeit war sehr praxisnah. Wir haben ein kleines Spiel gemacht zum ökologischen Fußabdruck. Wir haben auch Material bekommen, so geht man mit etwas in der Hand nach Hause.“ Der Tag endete mit einer gemeinsamen Abschlussandacht.
Diese Meldung und weitere Nachrichten des Bistums wurde veröffentlicht auf der Internetseite www.bistum-speyer.de