Dienstag, 10. Mai 2022
„Ukraine hat ein Recht auf Selbstverteidigung“
Speyerer Militärseelsorger Michael Kühn hält Rüstungslieferungen an die Ukraine für legitim
Koblenz. Soll Deutschland die Ukraine durch die Lieferung schwerer Waffen unterstützen? Darüber wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Nach Michael Strake vom Speyerer Diözesanverband „pax christi“ haben wir den Speyerer Militärseelsorger Pfarrer Michael Kühn, der aktuell als Militärdekan im Katholischen Militärpfarramt in Koblenz tätig ist, nach seiner Einschätzung gefragt.
„Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat sicherheitspolitische eine völlig neue Situation geschaffen, der es in vielfacher Weise Rechnung zu tragen gilt“, ordnet Michael Kühn die Geschehnisse ein. Damit seien die Vorstellungen einer europäischen Friedensordnung zunächst einmal zerbrochen und hätten sich verschoben. „Dennoch bleibt der Frieden das wichtigste Ziel, das zu schaffen ist, auch und gerade wegen der vielen Menschen, die in und unter diesem Krieg leiden“, betont Michael Kühn.
Krieg sei – nach einem Wort von Papst Johannes Paul II. –„immer eine Niederlage der Menschheit“. Kühn weist in Übereinstimmung mit Militärbischof Franz Overbeck auf das völkerrechtlich verbriefte und auch von der kirchlichen Friedensethik bejahtes Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung hin. Rüstungslieferungen, die dazu dienen, dass die Ukraine dieses Recht wahrnehmen kann, hält er daher für „grundsätzlich legitim“.
Der Angriff Russlands können ohne den Einsatz von Defensivwaffen nun einmal nicht abgewehrt werden. Die Menschen in der Ukraine „wollten und wollen keinen Krieg“, ist er sich sicher. „Sie sehnen sich nach Frieden.“ Man dürfe sich jedoch nicht der Illusion hingeben, dass „der Frieden einfach so vom Himmel“ falle. Auch jetzt im Kampf müsse das oberste Ziel bleiben, Frieden zu stiften und den Krieg zu beenden. „Das sollte immer oberste Priorität des Handelns sein.“ Ein fertiges Rezept hat auch er nicht in der Schublade. „Wenn ich einen Königsweg, eine hundertprozentige Strategie wüsste, wie in dieser Situation der Frieden zu erreichen wäre, dann wäre ich glücklich.“ Doch er vertraue auf den Geist Gottes, dass er die Herzen der Beteiligten bewegt.
„Dienst der Soldaten ist ein Dienst für und am Frieden“
Aufgrund seiner Tätigkeit ist er nah an den Gefühlen und Sorgen der Soldatinnen und Soldaten. „Sie nehmen diese Situation sehr bewusst wahr. Noch einmal wird deutlich, dass der Soldatenberuf ein besonderer ist mit vielen Facetten.“ Der Dienst der Solidatinnen und Soldaten sei zuerst ein „Dienst für und am Frieden“. Zugenommen habe das Bewusstsein, dass dieser Dienst viel Einsatz fordert und sogar den größten Einsatz fordern kann.
„Dennoch bewahren die Soldaten und Soldatinnen in der Bundeswehr zur Zeit Ruhe und agieren in den Einsätzen besonnen“, berichtet Kühn, der in diesen Tagen Soldatinnen und Soldaten zur internationalen Soldatenwallfahrt nach Lourdes begleitet, um gemeinsam für den Frieden zu beten. „Krieg möchte und will keiner. Und dass der Krieg sich ausweitet, schon gar niemand. Gerade die Soldatinnen und Soldaten sehnen sich nach Frieden. Dafür sind sie einsatzbereit.“
Einsatzbereitschaft fordert Kühn auch von den Bürgerinnen und Bürger „Wir alle sind aufgerufen darüber nachzudenken, was unser Einsatz für den Frieden sein kann.“ Als Beispiele nennt er eine „friedensfördernde Grundhaltung, Versöhnung, Offenheit und Solidarität“, aber auch den Verzicht, „um uns von Russland als dem Aggressor unabhängiger zu machen“, sowie das Gebet.
Beitrag zur Position von Michael Strake (Diözesanverband Pax Christi):
Foto: Katholisches Militärbischofsamt / Doreen Bierdel
Diese Meldung und weitere Nachrichten des Bistums wurde veröffentlicht auf der Internetseite www.bistum-speyer.de