Mittwoch, 05. April 2023
„Es sind die Bürgerinnen und Bürger…“ – Nein, Herr Lindner, das sind sie nicht!
Nach den 30 Stunden andauernden Verhandlungen der Ampelkoalition sind viele Klimaschützer*innen frustriert. Vor allem dass die Einsparziele bei den CO2-Emissionen nicht mehr getrennt für die einzelnen Sektoren, sondern sektorenübergreifend angeschaut werden sollen, führt zu Unmut. Gerade für Volker Wissing (FDP, Verkehrsminister) bedeutet diese Regelung aber nur Gutes: Sein Bereich, der Verkehrssektor, hätte die Ziele nicht einhalten können. Nun kann er darauf spekulieren, dass nach einer Verrechnung mit anderen Sektoren unterm Strich doch noch alles passt. Verantwortlichkeiten werden damit eher verschleiert und Klimaziele aufgeweicht.
Christian Lindner (FDP), der im Anschluss an die Verhandlungen gemeinsam mit Lars Klingbeil (SPD) und Omid Nouripour (Bündnis 90 / Die Grünen) bei Maybrit Illner zu Gast war, um über die Beschlüsse zu sprechen, nahm auch zu diesem Thema Stellung. Dabei fiel ein Satz, den ich herausgreifen will, weil er in seinem Kern alles verkennt, was politisch in der derzeitigen Lage beim Klimaschutz geboten ist.
Christian Lindner nimmt Volker Wissing mit den folgenden Worten in Schutz: „Es ist nicht Volker Wissing, der die Klimaziele im Verkehr nicht erreicht. Es sind die Bürgerinnen und Bürger, die die Klimaziele nicht erreichen, weil die Menschen mobil sein wollen“ (etwa bei Min. 44:40 unter oben genanntem Link).
Warum dieser Satz so verheerend ist? Er lenkt davon ab, dass nicht in erster Linie Individuen für die Eindämmung der Klimakrise verantwortlich sind, sondern dass unsere Systeme Klimaschutz in angemessenem Maße bisher nicht ermöglichen und es die Aufgabe der Politik ist, das zu ändern. Denn der Regierung obliegt eine Schutzpflicht der Bevölkerung gegenüber den Klimafolgen. Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) soll daher die Einhaltung der Klimaschutzziele auf Basis des Pariser Klimaabkommens von 2015 regeln und kam vor allem auch deshalb in die Schlagzeilen, weil eine Verfassungsbeschwerde mehrerer Klimaaktivist*innen dazu führte, dass das Gesetz zunächst vom Bundesverfassungsgericht als teilweise mit den Grundrechten unvereinbar eingestuft wurde und die Regierung so nachbessern musste.
Das Wegschieben der Verantwortung von Christian Lindner auf individuelle Personen ist also nicht nur nicht besonders nett, sondern auch rechtlich problematisch. Kurz gesagt: Er missbilligt seine Aufgabe, als Politiker dem Volk zu dienen und unser Zusammenleben so zu organisieren, dass wir die bestmöglichen Chancen haben.
Warum wir das als Bürger*innen nicht selbst regeln können, sondern wir unsere Energie bündeln und mit unserer Stimme bei Wahlen, bei Demonstrationen und an anderen Stellen den von uns gewählten Politiker*innen zeigen sollten, dass wir geeignete Spielregeln für alle brauchen, um die Klimakrise zu bewältigen, erklärt die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim in ihrer hervorragenden Sendung, die genau diese Problematik erklärt und fundierte Quellen dazu liefert.
Schauen Sie unbedingt rein!!!
Und wenn Sie dann Lust haben, nehmen Sie doch das Angebot von Christian Lindner, unserem gewählten Vertreter, ernst, sich bei Fragen an ihn zu wenden, und senden Sie ihm eine freundliche Mail mit Link zum Lied am Ende der Sendung. Er wird sich bestimmt freuen … :o)
Sonja Haub, Bildungsreferentin KEB Pfalz
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