KEB

Freitag, 19. März 2021

Roma locuta, causa finita?!

Kommentar zur Antwort der Glaubenskongregation zum Thema Segnung homosexueller Partnerschaften

„Rom hat entschieden, die Sache ist erledigt.“
Was im Kirchenrecht als Rechtsgrundsatz gilt, wird zum geflügelten Ausdruck, der immer dann zu hören ist, wenn Rom – genauer gesagt eine Kongregation aus dem Vatikan oder der Papst – ein Machtwort gesprochen hat.
Am Montag ist genau das geschehen, als das Responsum (gemeint ist damit eine Antwort oder Klarstellung) auf das Dubium (eine Frage oder ein Zweifel) „Hat die Kirche die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen?“, ein klares „Nein“ war.
Seither geht eine Welle der Empörung durch die katholische Kirche in Deutschland, es werden Flaggen gehisst und Kommentare geschrieben – vollkommen zurecht. Abgesehen davon, dass die Glaubenskongregation seit geraumer Zeit für die meisten Menschen nicht mehr das Maß aller Dinge in sexualethischen Gesichtspunkten ist, wirft die Antwort aus Rom wieder einmal die Frage auf, ob sich die Kirche nicht ändern kann, oder ob sie das möglicherweise gar nicht will.
Bei einem klaren „Nein“ hat es die Glaubenskongregation nicht belassen, sondern sie hat eine „Erläuternde Note“ hintangestellt, um die Entscheidung zu erklären. Was aber steht in dieser Erläuterung? Wie wird argumentiert? Wo bleibt die Erläuterung Antworten schuldig? Das möchte ich mir genauer anschauen und das Gesagte aus meiner Sicht kommentieren (wörtliche Zitate aus der Erklärung der Glaubenskongregation sind fortan kursiv, die herausgearbeiteten Thesen sowie meine Anmerkungen dazu sind normal gedruckt, außerdem habe ich jeden Abschnitt mit einer gliedernden Überschrift versehen).

 

[Vorrede]

In einigen kirchlichen Bereichen verbreiten sich Projekte und Vorschläge von Segnungen für Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts. Nicht selten sind solche Projekte durch den aufrichtigen Willen motiviert, homosexuelle Personen anzunehmen, sie zu begleiten und ihnen Wege des Glaubenswachstums anzubieten, „damit diejenigen, welche die homosexuelle Tendenz zeigen, die notwendigen Hilfen bekommen können, um den Willen Gottes in ihrem Leben zu begreifen und ganz zu erfüllen“.
Auf diesen Wegen können das Hören des Wortes Gottes, das Gebet, die Teilnahme an liturgischen Handlungen der Kirche und praktizierte Nächstenliebe eine wichtige Rolle bei der Förderung von Bemühungen spielen, die eigene Lebensgeschichte zu deuten sowie frei und verantwortungsbewusst die eigene Taufberufung anzunehmen, weil „Gott jeden Menschen liebt. Und Gleiches tut auch die Kirche“, indem sie jede ungerechte Diskriminierung ablehnt.

Die Thesen:

  • Es gibt Bemühungen in kirchlichen Bereichen, homosexuelle Personen angemessen zu begleiten. Diese sollen, so legt es das Zitat nahe, dazu da sein, homosexuellen Menschen den Willen Gottes begreifbar zu machen, sodass sie ihn ganz erfüllen können. Es gibt unterschiedliche Formen, die dabei helfen, die Taufberufung zu erkennen.
  • Diese genannten Formen sind deshalb hilfreich, weil Gott – ebenso wie die Kirche – jeden Menschen liebt. Jegliche Diskriminierung wird daher abgelehnt.

Meine Ergänzungen, Fragen und Gegenthesen:

  • In einer Begleitung dabei zu unterstützen, dass der Mensch seiner Berufung nachgehen kann, ist ehrenhaft. Deshalb ist eine solche Begleitung unabhängig von der sexuellen Orientierung für jeden Menschen wesentlich. Nur wer an Selbstüberschätzung leidet, glaubt, er können Gottes Willen vollumfänglich erkennen.
  • Die Analogie, die zwischen Gottes Liebe und der Liebe der Kirche zu jedem Menschen gezogen wird, ist keine neue. Sie bezieht sich auf den Gedanken, die Kirche könne – wo doch Gott alle Menschen als sein Ebenbild geschaffen hat – keine Menschen ablehnen, wenn sie die Liebe Gottes und damit Gott selbst ernst nehmen möchte. Biblisch fundiert ist dieser Gedanke in 1 Joh 4,7f., wo geschrieben steht: „Geliebte, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe.“ (Am Rande: Diese Argumentation wurde übrigens schon einmal in Nostra aetate 5 in Bezug auf den Dialog mit nichtchristlichen Religionen aufgegriffen.)

 

[Sakramentalien und Sakramente]

Unter den liturgischen Handlungen der Kirche sind Sakramentalien von besonderer Bedeutung: als „heilige Zeichen, durch die in einer gewissen Nachahmung der Sakramente Wirkungen, besonders geistlicher Art, bezeichnet und kraft der Fürbitte der Kirche erlangt werden. Durch diese Zeichen werden die Menschen bereitet, die eigentliche Wirkung der Sakramente aufzunehmen; zugleich wird durch solche Zeichen das Leben in seinen verschiedenen Gegebenheiten geheiligt“. Der Katechismus der katholischen Kirche erläutert weiter: „Die Sakramentalien verleihen die Gnade des Heiligen Geistes nicht nach Art der Sakramente, sondern bereiten durch das Gebet der Kirche vor, die Gnade zu empfangen und mit ihr mitzuwirken“.
Zu den Sakramentalien gehören Segnungen, mit denen die Kirche „die Menschen aufruft, Gott zu preisen, sie auffordert, seinen Schutz zu erbitten und sie ermahnt, sich seiner Barmherzigkeit mit der Heiligkeit des Lebens würdig zu erweisen“. Darüber hinaus sind „sie in einer gewissen Nachahmung der Sakramente eingesetzt und beziehen sich immer und hauptsächlich auf geistliche Wirkungen, die sie kraft der Fürbitte der Kirche erlangen“.

Die Thesen:

  • Es gibt zwei unterschiedliche „Gattungen“: Sakramentalien und Sakramente. Erstere gelten dabei gewissermaßen als „kleine Geschwister“ für die als zweites genannten Sakramente. Sakramentalien bereiten den Menschen auf die Wirkung der Sakramente vor. Dies geschieht durch das Gebet der Kirche.
  • Segnungen gehören zu den Sakramentalien. Die Kirche ist dabei eine Vermittlerin, die dazu aufruft, mit den Sakramentalien Gott zu preisen, seinen Schutz zu erbitten und sich würdig zu erweisen. Ihre Wirkung erlangen die Sakramentalien kraft der Fürbitte der Kirche.

Meine Ergänzungen, Fragen und Gegenthesen:

  • Sakramente (so im Pastoralliturgischen Handlexikon [Berger, Rupert (Hg.), Pastoralliturgisches Handlexikon, Freiburg i.B. 52013, 376–379] nachzulesen) sind sieben festgelegte, grundlegende gottesdienstliche Handlungen (Taufe, Firmung, Eucharistie, Buße, Krankensalbung, Weihe, Ehe), in denen Christus – unabhängig von der Rechtgläubigkeit des Spenders oder Empfängers – handelt und das Heil für den Menschen langsam anbrechen darf. Sakramentalien sind alle die Handlungen, die es im 12. Jh. nicht in die „Top-Sieben“ geschafft haben (z. B. Begräbnisse, Segnungen, Wallfahrten). Sie bereiten die Sakramente vor oder setzen deren Wirkung in den christlichen Alltag fort. Wirksam werden Sie – im Gegensatz zu den Sakramenten – wenn die Kirche darum bittet. Die Kirche ist dabei nicht als das Lehramt oder ein Amtsträger zu verstehen, sondern meint die Gemeinschaft der versammelten Gläubigen aufgrund ihrer Sendung durch Taufe und Firmung.
  • Zu den Sakramentalien gehören auch Segnungen. Segnen kann aufgrund des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen zunächst jeder Getaufte und Gefirmte in seinem Lebenskreis (also beispielsweise die Eltern in der Familie). In der Öffentlichkeit segnet jeweils der zuständige kirchliche Vertreter – das sind der Bischof, der Priester, der Diakon oder eine vom Bischof beauftragte nichtgeweihte Person (bei uns in Deutschland beispielsweise eine Pastoral- bzw. Gemeindereferentin oder sogar ein Ehrenamtlicher).

 

[Segnung menschlicher Beziehungen]

Um der Natur der Sakramentalien zu entsprechen, ist es deshalb erforderlich, dass, wenn über einige menschliche Beziehungen ein Segen herabgerufen wird, abgesehen von der rechten Absicht derjenigen, die daran teilnehmen, die zu segnende Wirklichkeit objektiv und positiv darauf hingeordnet ist, die Gnade zu empfangen und auszudrücken, und zwar im Dienst der Pläne Gottes, die in die Schöpfung eingeschrieben und von Christus dem Herrn vollständig offenbart sind. Mit dem Wesen der von der Kirche erteilten Segnung ist daher nur vereinbar, was an sich darauf hingeordnet ist, diesen Plänen zu dienen.

Die Thesen:

  • Von der Kirche erteilte Segnungen sind nur bei Beziehungen angebracht, die die Gnade Gottes empfangen können. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Beziehung den Plan Gottes erfüllt.
  • Dieser Plan ist in der Schöpfung eingeschrieben und von Christus vollständig offenbart worden.

Meine Ergänzungen, Fragen und Gegenthesen:

  • Wenn wir davon ausgehen, dass Gott ein gnädiger Gott ist, der den Menschen mit seiner Gnade aus der Dunkelheit reißen und sein Leben reich machen möchte, vermute ich, dass er besonders jenen, die sich vielleicht gerade nicht vollumfänglich als würdig erweisen, seine Gnade schenken möchte. Die obige Argumentation mag den derzeit gültigen Normen entsprechen. Aber ist sie wirklich gnädig und den Menschen zugewandt, die immer wieder darauf angewiesen sind, in ihrer Unvollkommenheit angenommen zu werden?
  • Den Hinweis auf den Plan Gottes, den die zu Segnenden erfüllen müssen, möchte ich hinterfragen: Neben Beziehungen ist es gestattet, Autos, Gebäude, Industrieanlagen, Ski-Lifts und sogar Waffen zu segnen. Müssten diesen dann nicht auch den Plan Gottes erfüllen?
    Selbst wenn man naturrechtlich argumentieren möchte („Es ist nur das nach dem göttlichen Plan, was in der Schöpfung angelegt ist“), möchte ich einwenden: Ski-Lifts sind nicht in der Schöpfung angelegt. Der Mensch hat Beine, um auf einen Berg hinauf zu laufen. Und Waffen gefährden das Leben, das Gott uns geschenkt hat.
  • In Christus ist der Plan Gottes vollständig offenbart – so schreibt die Glaubenskongregation. Dabei spart sie aus, dass auch Jesus nicht alle Bereiche des Lebens mit einem eigenen Wort bedacht, sondern einen großen Rahmen aufgespannt hat, den es auszulegen gilt. Es bleibt so die Aufgabe der Kirche, die Worte Jesu immer neu zu deuten und einzuordnen. Dabei lässt sich Gottes Wort sicher nicht auf eine feste, zu allen Zeiten gültige Deutung festlegen, sondern muss immer in den aktuellen Kontext der Zeit hinein ausgelegt werden.

 

[Segnung homosexueller Beziehungen]

Aus diesem Grund ist es nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (das heißt außerhalb einer unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau, die an sich für die Lebensweitergabe offen ist) einschließen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist. Das Vorhandensein positiver Elemente – die in sich betrachtet dennoch zu schätzen und hervorzuheben sind – in solchen Beziehungen ist trotzdem nicht in der Lage, diese zu rechtfertigen und sie daher rechtmäßig zum Gegenstand einer kirchlichen Segnung zu machen, weil diese Elemente im Dienst einer Verbindung stehen, die nicht auf den Plan des Schöpfers hingeordnet ist.

Die Thesen:

  • Homosexuelle Partnerschaften (nebenbei erwähnt aber auch heterosexuelle Partnerschaften ohne Trauschein, bspw. die Beziehungen wiederverheiratet Geschiedener), zu denen Sexualität außerhalb der Ehe gehört, entsprechen nicht dem Plan Gottes – egal wie positiv die einzelnen Elemente der Partnerschaft sind.
  • Der einzige legitime Rahmen für Sexualität ist die Ehe, die auf Nachkommenschaft ausgerichtet ist.

Meine Ergänzungen, Fragen und Gegenthesen:

  • Die eben getätigten Aussagen entsprechen weder der heutigen Lebenswelt noch der modernen Theologie, die sich den Erkenntnissen der Humanwissenschaften verpflichtet weiß. Die Humanwissenschaften belegen eindeutig, dass Homosexualität weder Krankheit oder Fehlbildung noch eine Modeerscheinung ist. Der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz möchte seit geraumer Zeit ein Umdenken in der kirchlichen Sexualmoral. So fordert er, Sexualität als Ausdruck der Liebe in einer Beziehung auch jenseits der Ehe anzuerkennen. Die Frage der Verhütung will er dabei deutlich von der Glaubensfrage getrennt sehen. Gerade vor den Problemen unserer Zeit (Ressourcenknappheit, Überbevölkerung) und der hart errungenen Möglichkeit auf freie Lebensgestaltung, die zu jener Freiheit gehört, die Gott dem Menschen geschenkt hat, muss es deshalb erlaubt und kann es durchaus verantwortlich sein, liebend miteinander zu leben (auch sexuell), ohne bei jedem einzelnen Akt auf die Zeugung von Nachkommenschaft ausgerichtet zu sein. Dieses Leben kann trotzdem ein Leben in Fülle sein, das Gott für jeden von uns möchte (so sagt es bereits Jesus in Joh 10,10).
  • Kann die Kirche um den Plan Gottes wissen? Es mag sein, dass der Plan Gottes bei einer Familie mit drei Kindern anders ausschaut als bei einem homosexuellen Paar ohne Kinder – das liegt in der Natur der Sache, denn jede Beziehung ist anders, so wie auch jede Familie oder Ehe anders ist. Ich möchte Gott gerne unterstellen, dass es ihm gelingt, in allen Fällen seinen Menschen zu begleiten und zu segnen.
  • Es mag sicher auch kinderreiche Ehen geben, in denen die Partner dennoch auf vielfältige Weise leiden – erfüllen diese Beziehungen wirklich eher den Plan Gottes als langjährige, von Liebe und Treue geprägte homosexuelle oder außereheliche Beziehungen?
  • Es ist bezeichnend, dass bei der Beschreibung homosexueller Beziehungen auf einen biblischen Beleg verzichtet wird. Gründe dafür könnten sein, dass in der Exegese inzwischen vollkommen klar ist, dass kein biblischer Befund vorliegt für die Verurteilung liebender, treuer, homosexueller Beziehungen. Außerdem äußert sich Jesus Christus nie zur Frage von homosexuellen Beziehungen. Beides scheint auch der Glaubenskongregation bekannt zu sein.

 

[Verbindung der Segnung zur Eheschließung]

Da die Segnungen für Personen in Beziehung zu den Sakramenten stehen, kann darüber hinaus die Segnung gleichgeschlechtlicher Verbindungen nicht als zulässig angesehen werden, weil sie in gewisser Weise eine Nachahmung oder einen analogen Hinweis auf den Brautsegen darstellen würde,der auf den Mann und die Frau herabgerufen wird, die sich im Sakrament der Ehe vereinigen, da „es keinerlei Fundament dafür [gibt], zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn“.
Die Erklärung der Unzulässigkeit von Segnungen der Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts ist daher weder eine ungerechte Diskriminierung noch enthält sie die Absicht, eine solche zu sein, sondern ruft die Wahrheit des liturgischen Ritus in Erinnerung und das, was dem Wesen der Sakramentalien zutiefst entspricht, so wie die Kirche sie versteht.

Die Thesen:

  • Segnungen stehen (als Sakramentalien) in Verbindung zu den Sakramenten. Da die Ehe als Sakrament der heterosexuellen Beziehungen gilt, muss die Verwechslungsgefahr einer Segnung homosexueller Paare mit diesem Sakrament vermieden werden.
  • Es ist ausgeschlossen, dass Gottes Plan über die Ehe irgendeine Ähnlichkeit zu homosexuellen Beziehungen hat.
  • Das Verbot der Segnung ist keine Diskriminierung. Die Kirche möchte nur dem Wesen der Sakramentalien entsprechen, so wie sie es versteht.

Meine Ergänzungen, Fragen und Gegenthesen:

  • Im Text der Glaubenskongregation scheint mir eine große Angst vor der Verwechslung einer Segnung mit der Eheschließung zu herrschen. Dieses Argument halte ich für recht dünn, da eine Verwechslungsgefahr in vielen anderen Bereichen in Kauf genommen wird. Hierzu zwei Beispiele: Seit geraumer Zeit ist es erlaubt, evangelische Personen zu Taufzeugen (!) zu machen. Diese sind explizit keine Taufpaten – das kann nur eine katholische Person sein. In der Wahrnehmung der Taufeltern könnten beide Personen gleich wahrgenommen werden, denn beide haben eine Position in der Taufliturgie und sollen das Kind auf seinem Weg begleiten. Und ein weiteres Beispiel: In der jüngeren Vergangenheit kommt es immer wieder vor, dass ungeweihte pastorale Mitarbeiter mit Pfarrern verwechselt werden, weil sie beispielsweise ein würdevolles Begräbnis vorgenommen und die Trauernden gut begleitet haben. In beiden Fällen ist die Kirche aufgefordert, die Unterschiede gut und nachvollziehbar zu erklären. Das sollte kein Hindernis sein. Folglich sehe ich auch in der Verwechslungsgefahr von Segnung und Eheschließung kein Hindernis.
  • Das Verbot mag nicht als Diskriminierung gemeint sein, wird aber in unserer heutigen Welt so wahrgenommen. Rom schreibt deutlich, dass es um das kirchliche Verständnis der Sakramentalien geht. Dabei berücksichtigt die Glaubenskongregation nicht, dass dieser Punkt in der heutigen Welt weder eine Rolle spielt noch verstanden wird, sodass der Kirche dadurch zwangsläufig Diskriminierung unterstellt wird. Das lässt sich kaum widerlegen. Es ist an dieser Stelle sehr schade, dass Rom noch immer selbst bestimmen will, wie Aussagen auf das Gegenüber zu wirken haben. Dabei ist in der modernen Kommunikation klar, dass der Empfänger die Botschaft entschlüsselt. Das ist sicherlich kein Freibrief zu willkürlicher Interpretation von Aussagen, die offensichtlich anders gemeint sind. Jedoch verpflichtet es jede Person und Institution, die Wirkung ihrer Aussagen in der Lebenswirklichkeit ihrer Adressaten – nicht bloß in ihrer eigenen – zu berücksichtigen.

 

[Aufruf an die christliche Gemeinschaft und an homosexuelle Menschen]

Die christliche Gemeinschaft und die geistlichen Hirten sind aufgerufen, Menschen mit homosexuellen Neigungen mit Respekt und Takt aufzunehmen; sie werden im Einklang mit der kirchlichen Lehre die am besten geeigneten Wege zu finden wissen, um ihnen das Evangelium in seiner Fülle zu verkünden. Diese Personen mögen gleichzeitig die aufrichtige Nähe der Kirche anerkennen – die für sie betet, sie begleitet, mit ihnen den Weg des christlichen Glaubens teilt – und ihre Lehren mit aufrichtiger Bereitwilligkeit annehmen.

Die Thesen:

  • Die christliche Gemeinschaft und die Hauptamtlichen sollen homosexuelle Menschen mit Respekt aufnehmen und ihnen die Frohe Botschaft verkünden.
  • Homosexuelle Menschen sollen die Bemühungen der Kirche schätzen und ihre Lehre annehmen.

Meine Ergänzungen, Fragen und Gegenthesen:

  • Jeder Mensch ist von Gott gewollt – mit allen seinen Eigenheiten. Deshalb ist es geradezu selbstverständlich und unumgänglich, homosexuelle Menschen (wie alle anderen auch) respektvoll anzunehmen. Zwar spricht sich die Glaubenskongregation nicht mehr gegen die sexuelle Orientierung an sich aus, aber sie verurteilt das Ausleben in Beziehungen, was in unserer heutigen Welt jedoch zumeist untrennbar verbunden ist. Auch in einer Zeit, in der es eine recht große Gruppe von Singles gibt, äußern sich noch immer Menschen, dass sie sich ein Leben ohne Partner nicht vorstellen können – der Wunsch nach einer Partnerschaft gehört wesentlich zur Vorstellung des eigenen Lebens. Diesen Wunsch kann und darf – so meine Überzeugung – auch ein homosexueller Mensch verspüren und umsetzen.
  • Homosexuelle Menschen blicken auf eine leidvolle Geschichte zurück und haben sich in der Gesellschaft mühevoll Respekt erkämpft, was zumindest hier in Deutschland weitgehend (aber leider noch nicht überall) gelungen ist. Wenn nun die Kirche unterstellt, homosexuelle Beziehungen würden dem Plan Gottes zuwider laufen, halte ich es für vermessen, zu erwarten, dass homosexuelle Menschen die Lehre der Kirche bereitwillig anerkennen und sich nicht diskriminiert fühlen. Eine Institution wie die Glaubenskongregation sollte in ihrer Kommunikation so geschult sein, dass Fehltritte dieser Art nicht geschehen und es gelingt, sich den Gepflogenheiten der Länder, die die Weltkirche umfassen möchte, anzupassen. Hier wäre ein Mindestmaß an Sensibilität dringend nötig.

 

[Abgrenzung zwischen Einzelpersonen und Beziehungen]

Die Antwort auf das vorgelegte Dubium schließt nicht aus, dass Segnungen einzelnen Personen mit homosexueller Neigung gespendet werden, die den Willen bekunden, in Treue zu den geoffenbarten Plänen Gottes zu leben, wie sie in der kirchlichen Lehre vorgelegt werden; sie erklärt jedoch jede Segnungsform für unzulässig, die dazu neigt, ihre Verbindungen anzuerkennen. In diesem Fall würde die Segnung nämlich die Absicht zum Ausdruck bringen, nicht bestimmte Einzelpersonen dem Schutz und der Hilfe Gottes im oben genannten Sinne anzuvertrauen, sondern einen Entschluss und eine Lebenspraxis zu billigen und zu fördern, die nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden können.
Gleichzeitig erinnert die Kirche daran, dass Gott selbst nicht aufhört, jedes seiner Kinder zu segnen, die in dieser Welt pilgern, denn für ihn „sind wir […] wichtiger als alle Sünden, die wir begehen können“. Aber er segnet nicht die Sünde und er kann sie nicht segnen: Er segnet den sündigen Menschen, damit er erkennt, dass er Teil seines Liebesplans ist, und sich von ihm verändern lässt. Denn er „nimmt uns so, wie wir sind, aber lässt uns nie so, wie wir sind“.

Die Thesen:

  • Homosexuelle Einzelpersonen dürfen gesegnet werden, wenn sie sich bemühen, den Plänen Gottes und somit der kirchlichen Lehre zu folgen, d.h. ihre Homosexualität nicht auszuleben. Nicht gesegnet werden kann dagegen ihre Beziehung, da diese nicht den Plänen Gottes entspricht.
  • Gott segnet jedes seiner sündigen Kinder, weil er es wandeln und zum Positiven verändern möchte, kann aber die Sünde nicht segnen.

Meine Ergänzungen, Fragen und Gegenthesen:

  • Über die Frage, ob und wie homosexuelle Beziehungen den Plan Gottes erfüllen, habe ich bereits oben gesprochen. Noch immer vertrete ich die Meinung, dass wir Gottes Plan nicht ausnahmslos und vor allem nicht für unsere Mitmenschen kennen können.
  • Folgt man der Argumentation im zweiten Absatz des Textes, wird die ausgelebte gleichgeschlechtliche Liebe von der Glaubenskongregation als Sünde verstanden, die mit Gottes Hilfe überwunden werden kann. Die Glaubenskongregation kann Segnungen homosexueller Einzelpersonen – auch wenn sie in einer Beziehung leben – deshalb zulassen, weil sie davon ausgeht, dass die Segnung mit einer positiven Veränderung bei einem Sünder einhergeht. Das trifft auch auf homosexuelle Menschen zu. Damit sagt sie implizit, dass die Beziehung beendet oder in Enthaltsamkeit weitergeführt werden muss, denn dem göttlichen Plan entspricht für homosexuelle Menschen nur die Enthaltsamkeit.
  • Wenn die Glaubenskongregation davon spricht, dass Gott homosexuelle Beziehungen nicht segnen kann, behauptet sie zum einen, die Beziehung sei Sünde, zum anderen meint sie aber zu wissen, dass Gott Sünde nicht segnen kann (so wörtlich oben). Meines Erachtens spricht sie damit Gott seine Allmacht ab, was mir gewagt scheint, und verschließt sich vor der Sicht, Gott könne Beziehungen jeglicher Art durch seinen Segen reicher machen. Ich bin überzeugt davon, dass Gott diesen segnenden Reichtum jedem Menschen und jeder Liebesbeziehung zuteilwerden lassen möchte.
    Zudem – und das ist meines Erachtens an dieser Stelle der wichtigste Punkt: Wenn Gott die Liebe ist, wie kann dann Liebe (egal ob homosexuell oder heterosexuell) Sünde sein?

 

[Fehlende Vollmacht der Kirche]

Aus diesen Gründen verfügt die Kirche weder über die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts im oben gemeinten Sinne zu segnen, noch kann sie über diese Vollmacht verfügen.

Die These:

  • Die Kirche hat keine Vollmacht, Beziehungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen.

Meine Ergänzungen, Fragen und Gegenthesen:

  • Nach einer langen Argumentation, an die man – wie gezeigt wurde – die eine oder andere Frage stellen kann, nutzt die Glaubenskongregation hier ein interessantes Mittel. Sie verweist auf ihre Ohnmacht, durch die es ihr versagt ist, die Thematik anders zu behandeln. Sie zieht sich in die Passivität zurück und demonstriert damit aber gleichsam ihre große Macht: Wenn sich die Kirche sicher ist, ohnmächtig zu sein in Bezug auf die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, sagt sie zugleich aus, dass sie in der Position ist, ihre Sichtweisen und Lesarten als unumstößliche Wahrheit zu definieren. Diese Sicht ist kirchenrechtlich vollkommen gedeckt, ermöglicht aber keinerlei Diskurs, der in einer aufgeklärten Welt immer wieder eingefordert wird. Rom zeigt sich hier von seiner härtesten und gnadenlosesten Seite.

 

Die Erklärung der Glaubenskongregation macht deutlich, wie schwer sich Rom mit einer modernen Glaubenslehre tut. Wir können nur hoffen, dass diese Unbeweglichkeit den Schwung des Synodalen Weges in Deutschland nicht zum Erliegen bringt. Ich bin deshalb dankbar, dass sich so viele Menschen in der Kirche – auch in unserem Bistum – zu Wort gemeldet und die Antwort aus Rom abgelehnt haben. Vielleicht ist es das, was wir aus dieser Sache lernen: Die deutsche Kirche kann, wenn sie will, mit einigem Nachdruck auch Rom widersprechen.

Hoffentlich bleibt sie diesem Weg treu und findet in Rom Gehör. Denn so kann sich die Kirche unter dem Segen Gottes zum Besseren wandeln!

Sonja Haub
(Anmerkungen und Rückmeldungen gerne an: sonja.haub@bistum-speyer.de)

 

Zum Weiterlesen:

Das Dokument der Glaubenskongregation:

Responsum ad dubium der Kongregation für die Glaubenslehre über die Segnung von Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts.

Reaktionen:

Ein Kommentar der Theologen Stephan Goertz und Magnus Striet.
Ein Kommentar des ZdK.
Ein Kommentar der DBK.
Ein Kommentar Vorsitzenden des Forums „Leben in gelingenden Beziehungen“ beim Synodalen Weg.
Ein Kommentar der Hochschulgemeinden.
Ein Kommentar der kfd.
Ein Kommentar des KDFB.
Ein Kommentar des Kolpingverbandes.

Aus der Theologie:

Stephan Goertz über die Frage der kirchlichen Sexualmoral.
Ein sehr guter Artikel über die Frage der Homosexualität im AT von Alttestamentler Thomas Hieke.

Diese Meldung und weitere Nachrichten von Katholische Erwachsenenbildung
finden Sie auf folgender Internetseite: www.keb-speyer.de

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