Montag, 15. Mai 2023
Mit Dir / Mit Dir nicht
Kennen Sie das auch? Völlig gegensätzliche Dinge geschehen gleichzeitig und ergeben in ihrer Kombination ein absurdes, unfreiwillig komisches Bild. Ich habe gerade die aktuelle Ausgabe der Bistumszeitung der pilger (Nr. 19/2023 vom 14. Mai 2023) durchgeblättert und entdeckte auf den Seiten 12 und 13 eine solche absurde Kombination, in der Wunsch und Wirklichkeit aufeinandertreffen.
Worum geht es auf Seite 12?
Das Bistum Speyer setzt sich mit der großen Anzahl an Menschen auseinander, die aus der Kirche austreten. Mit Blick auf die Gruppe der 50-60-Jährigen wurde ein Flyer entworfen, der Gründe nennt, warum Menschen zur Kirche gehören wollen und sich in ihr engagieren.
Titel des Berichts und der Broschüre:
Kirche
Für Dich
Mit Dir
Worum geht es auf Seite 13?
Zivilistinnen und Zivilisten (andere sprechen von „Laiinnen“ und „Laien“) ist es in der katholischen Kirche nicht gestattet, in einer Eucharistiefeier zu predigen. In einer Klarstellung hat dies der Vatikan gerade jüngst wieder bekräftigt: Die Predigt in der Eucharistiefeier ist und bleibt Aufgabe eines geweihten Mannes.
Anlässlich des Gedenktags der Apostelin Junia predigen aktuell trotzdem einige Zivilistinnen im Rahmen des vierten Predigerinnentags der kfd. An neun Orten im Bistum Speyer kommen sie zu Wort und setzen ein Zeichen für eine geschlechtergerechte Kirche.
Überschrift des Berichts:
Gegen Maulkorb aus Rom
Komödie oder Tragödie?
Mit dieser Doppelseite ist der pilger-Redaktion (mutmaßlich unbeabsichtigt) eine wunderbare Gegenüberstellung gelungen und ich frage mich: Soll ich darüber lachen? Oder ist es eher zum Heulen? Ist das Komödie? Oder Tragödie? Ist das absurdes Theater? Ist das schwarzer Humor?
Viel härter können Wunsch und Wirklichkeit der katholischen Kirche auf einer Doppelseite kaum zusammentreffen. Links die Hoffnung. Und rechts die harte Realität. Links die Einladung. Rechts die Zurückweisung. Links sagt das Bistum Speyer: „Mit Dir“. Rechts betont der Vatikan: „Mit Dir nicht“. Und was der Vatikan betont, gilt auch im Bistum Speyer. Größere Abweichungen sind nicht erkennbar.
Und damit ist man auch direkt bei den Gründen, die Menschen zum Austritt aus der katholischen Kirche bewegen: Bei den nicht mehr ganz jungen Menschen, zu denen ich die Flyerzielgruppe der 50-60-Jährigen zählen würde, spielen weniger finanzielle (Kirchensteuer!) als konkrete inhaltliche Gründe eine erhebliche Rolle. Eine Studie aus dem vergangenen Jahr fasst diese Gründe im Cluster „kirchliches Versagen“ zusammen. Die Zusammenfassung kann man hier nachlesen.
Vor wenigen Wochen endete der Prozess „Synodaler Weg“. Debatten über die in der katholischen Kirche üblichen Diskriminierungen nahmen hierbei großen Raum ein. Gewissermaßen wurde also intensiv über „kirchliches Versagen“ diskutiert. Wegen diverser vatikanischer Interventionen im Stile von „Mit Dir nicht“ fielen die Beschlüsse am Ende des Prozesses eher „dünn“ aus, was durchaus ernüchtert bilanziert wurde (vgl. hier).
Nun, nach Abschluss des Synodalen Wegs, wartet man auf tatsächliche Veränderungen. Mit ein paar Frauen, die Glück haben, dass die örtlichen Pfarrer sie einmal im Jahr predigen lassen, ist es nicht getan. Diese kirchliche Praxis bringt die Botschaft „Mit Dir“ nicht überzeugend rüber.
Ein Flyer ändert an dieser Situation: nichts.
Bleibt die Frage nach „Komödie oder Tragödie“: Bei genauerer Betrachtung des Predigerinnentags im Bistum Speyer fällt auf, dass sechs von neun Frauen im Rahmen einer Wortgottesfeier predigen. Dies ist nichts Besonderes. Dies ist kirchenrechtlich gestattet. Es bleiben also nur drei Orte im ganzen Bistum, an denen Frauen zum Predigerinnentag in einer Eucharistiefeier predigen. So wenig ziviler Ungehorsam, so wenig Veränderung, so wenig „Mit Dir“ wirkt dann doch eher tragisch.
Ingo Faus
Leiter der Abteilung Erwachsenenbildung und Hochschulen
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