Samstag, 04. Oktober 2025
Weg von der Selbstgenügsamkeit
Erntedank lädt ein, die Perspektive zu wechseln
Am 5. Oktober wird in unseren Kirchen dieses Jahr wieder das Erntedankfest gefeiert. Eine Tradition, die Christen mit vielen Religionen teilen. In Dankbarkeit erinnern wir uns der Erträge in der Landwirtschaft und darüber hinaus an den – heute oft in den Hintergrund geratenen – engen Zusammenhang zwischen Mensch und Natur. Die Ernte war zu allen Zeiten der wichtigste Zeitraum eines landwirtschaftlichen Jahres, denn das Einbringen der Ernteerträge sicherte das Überleben im nächsten Winter.
Heute geht es den meisten Menschen – zumindest hier in Deutschland – nicht mehr um eine Vorratshaltung, um zu überleben. Die meisten von uns können sich dank ihres Einkommens einen gehobenen Lebensstandard leisten oder ihr Vermögen – mit Blick auf eine gesicherte und sorgenfreie Zukunft – sogar gewinnbringend anlegen. Ähnliche Gedanken hatte auch der reiche Mann aus einem Gleichnis Jesu im Lukas-Evangelium. Damit er weiter sorgenfrei leben konnte, entschloss er sich, seine Scheunen abzureißen und noch größere zu bauen, um dort seine ganzen Vorräte unterzubringen. „Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens!“
Auf den ersten Blick eine kluge und vorausschauende Entscheidung. Auf unsere Zeit übertragen würde der Reiche aus dem Gleichnis wahrscheinlich keine größeren Scheunen für seine Vorräte bauen, sondern sein Vermögen in Wertpapiere investieren. Und Versicherungen abschließen, um die Risiken des Lebens überschaubar zu halten. Zugegeben: Vorsorge treffen für schlechtere Zeiten ist sinnvoll, für eine verantwortungsbewusste Lebensplanung gar unerlässlich. Gerade in Krisenzeiten mit ihren politischen und wirtschaftlichen Ungewissheiten. Viele von uns fragen sich deshalb, wie sie angesichts der von Umbrüchen bedrohten Welt ihren Besitz sichern können. Gold, Wertpapiere und Immobilien als Lebensgarantie? Ist das nicht ein ähnlicher Trugschluss wie der Plan des reichen Mannes, mit dem Bau größerer Vorratsscheunen sein Leben für die Zukunft zu sichern?
Offensichtlich hatte er dabei etwas Entscheidendes übersehen. Kaum hatte er für sich diesen Entschluss gefasst, da sprach Gott zu ihm: „Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast?“ Trotz aller Voraussicht: Niemand kann die Überraschungen des nächsten Tages vorhersehen. Gott hat dem reichen Mann den Spiegel vorgehalten: Vergiss den Tod nicht! Bei allen Überlegungen zur Vorsorge dürfen wir nicht vergessen, dass es keine absolute Sicherheit im Leben gibt. Wer den Tod ausblendet, nimmt das Geschenk des Lebens nicht wirklich wahr. Wer den Tod vergisst, fragt nicht nach dem Sinn des Lebens. Der reiche Mann in diesem Gleichnis steht beispielhaft dafür. Er machte sich selbst zum Maßstab seines Lebens. Die Welt, die Wirklichkeit und vor allem Gott spielten in seinen planenden Gedanken keine Rolle.
Doch vor Gott gelten andere Maßstäbe als die selbstgenügsame Sorge um den Erhalt des eigenen Wohlstands. Reichtum bei Gott heißt, die Perspektive zu wechseln – eine Perspektive, die die Interessen aller in den Blick nimmt. Diesen Perspektivwechsel vollziehen wir, wenn wir das Erntedankfest feiern. An Erntedank wollen die Christen Gott für die Schöpfung danken und zeigen, dass sie um ihre Abhängigkeit von der Natur wissen. Ein solcher Perspektivwechsel kann befreien, weil er die Herrschaft der Selbstbezogenheit aufzulösen vermag.
Christine Hober
Quelle: Krankenbrief 10/24, www.krankenbrief.de, In: Pfarrbriefservice.de
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