Freitag, 10. März 2023
Glaubenszuversicht bewahren – Spaltung überwinden
Norbert Lammert ruft in seiner Fastenpredigt im Speyerer Dom zur Einheit der Christen auf – Kirchenkritik auch verbunden mit klarem Bekenntnis zum synodalen Weg
Speyer. Traditionsgemäß werden zu Fastenpredigten profilierte Redner eingeladen, die ein Stück weit Außenstehende sind und so in der vorösterlichen Bußzeit neue Akzente in der Beschäftigung mit Glaubensthemen setzen können. Diesem Aufruf war am 9. März 2023 Prof. Dr. Norbert Lammert gefolgt, der in der Reihe „Im Puls“ im Speyerer Dom predigte. Seine Worte, mit denen er Veränderungsbereitschaft anmahnte und vor allem Kritik an dem aus seiner Sicht ins Stocken geratenen Prozess der Ökumene übte, ließen dabei an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
Zunächst bedankte sich der ehemalige Bundestagspräsident und Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Einladung von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann, „als katholischer Laie“ und als „kritischer, loyaler, bekennender Christ“ im Speyerer Dom predigen zu dürfen. Dies bezeichnete er als „ehrenvolle Aufgabe“ der er gerne nachgekommen sei, zumal er den Dom zu Speyer seinen „Lieblingsdom unter den deutschen Kathedralen“ nannte.
Seine Predigt gliederte Lammert in drei Teile. Zunächst beschäftigte er sich mit der historischen Zäsur des Jahres 2023, in dem „erstmals in der Geschichte eines jahrhundertelang von den christlichen Kirchen geprägten Landes“ weniger als 50 Prozent der Menschen in Deutschland einer christlichen Kirche angehörten. Angesichts anderer Zahlen zum Thema Glauben und Kirche in Deutschland sei dies in erster Linie als Vertrauensverlust in die Kirchen und weniger als Glaubensverlust zu werten. Das Glaubensbekenntnis sei immer seltener auch ein Kirchenbekenntnis. Die Sätze des Glaubensbekenntnisses seien dabei nicht einfach nachvollziehbar. In der Beschäftigung mit dessen Inhalten liege jedoch gleichzeitig der Weg zur Glaubensgewissheit. „Diese Glaubenszuversicht zu bewahren und zu entwickeln, bleibt eine ständige Herausforderung“, stellte Lammert fest. Das sei jedoch, so zitierte er Kardinal Walter Kasper, nicht durch ein „in Stein meißeln“ und bloßes Wiederholen von Glaubenssätzen möglich, sondern nur dadurch, dass man den überlieferten Glauben in neue Fragestellungen hinein übersetze. „Den Glauben lebendig zu halten und Glauben zu leben, ist die gemeinsame Verantwortung von Kirchen und Gläubigen“, sagte Lammert.
Im zweiten Teil seiner Predigt beschrieb Lammert seine Arbeit in der Initiative „Ökumene jetzt“, der er im Zuge der Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017 angehört hatte. Die Befürchtung, dass dieses Jubiläum zu keiner wirklichen Veränderung führe, kein wirklicher Schritt zur Einheit der Christen sein werde, habe sich bewahrheitet. In einem Zustand, bei dem der Umgang der Konfessionen miteinander noch nie so freundlich und verständnisvoll war wie gegenwärtig, habe man es sich gemütlich gemacht. Die „versöhnte Verschiedenheit“ sei für ihn - bei allem Wohlklang - eine „verdeckte Kapitulationserklärung“ und „schlicht zu wenig“. Noch deutlicher wurde Lammert beim Thema des gemeinsamen Abendmahls. Dass die beiden Kirchen hier noch nicht zu einem gemeinsamen Amtsverständnis gekommen sind, bezeichnete er als „Enttäuschung und Ärgernis für mich als Christ“. Die Beibehaltung der Kirchenspaltung, die er als „Skandal“ bezeichnete, sei nicht Glaubensgründen, sondern der institutionellen Selbstbehauptung der Kirchen geschuldet. „Wenn die überfälligen Reformbemühungen in der katholischen Kirche und der Besinnung auf ihren eigentlichen Auftrag, der mit dem synodalen Weg endlich in Angriff genommen worden ist", von wichtigen Stimmen aus dem Episkopat als „Protestantisierung“ angegriffen würden, mache ihn das „fassungslos, aber nicht sprachlos“.
„Das Verhältnis von Gott und Mensch ist immer konkret“, leitete Lammert den letzten Teil seiner Predigt ein. Damit stellte er indirekt auch die Frage nach der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Kirche als Institution, wenn Glaube immer eine persönliche Sache ist. „Die Kirche hat Zweifel an ihrer göttlichen Sendung selbst befördert“, stellte Lammert fest. Den Abschluss der Predigt bildete ein von Lammert selbst formuliertes Glaubensbekenntnis. Damit setzte er selbst das um, was er zuvor als Forderung an die Kirche und an die Gläubigen formuliert hatte: „Den Glauben bewahren und immer wieder neu sagen“.
Die Fastenpredigt von Prof. Dr. Norbert Lammert wurde live auf den Social Media Beiträgen übertragen und steht dort auch in Nachhinein zum Aufruf bereit: https://www.youtube.com/watch?v=TtmSAyqqCGI
Foto: © Domkapitel Speyer, Foto: Klaus Landry
Diese Meldung und weitere Nachrichten des Bistums wurde veröffentlicht auf der Internetseite www.dom-zu-speyer.de