Dienstag, 29. Juli 2025
Wir sind Erben der Hoffnung

Ein kleiner „Hoffnungsstein“: Hoffnung muss ausgestrahlt und weitergegeben werden, nur so wächst sie und wird stärker. Bild: lotharmahler/AdobeStock.com
Diese Erbschaft wird nicht weniger, wenn wir sie teilen, sondern sie wird mehr und größer: Die Hoffnung wächst, je mehr wir sie weitergeben. Zum 18. Sonntag im Jahreskreis (3. August, Lesejahr C).
Der Streit ums Erbe ist immer noch eine der häufigsten Aus-einandersetzungen unter Verwandten. Die Hinterlassenschaft von Menschen erweckt immer viele Begehrlichkeiten. Manchmal sogar von Menschen, die überhaupt nicht mit dem Verstorbenen verwandt sind. Als mein Vater vor einigen Jahren starb, bekundeten schon Leute ihr Interesse an seinem Haus, bevor er überhaupt beerdigt war. Notare raten, frühzeitig ein – notariell beglaubigtes – Testament zu verfassen, um Erbschaftsstreit zu vermeiden.
Es ist nicht verwunderlich, dass „erben“ auch in der Bibel eine Rolle spielt. Der Begriff „Erbe“ kommt in 108 Bibelversen vor. Schon das Buch Genesis schildert den Konflikt zwischen Jakob und Esau, den Enkeln Abrahams, bei dem es nicht nur um das Erbe Isaaks geht, sondern viel mehr noch darum, wer in der Geschichte Israels als Stammvater gilt.
Streitursache Habgier
Am häufigsten ist der Begriff „Erbe“ jedoch in der Beschreibung des Verhältnisses des Volkes Israel zu seinem Land zu finden: Dieses Land ist das „Erbe“, das Israel von Gott bekommen hat. Dieses Erbe soll unter den einzelnen Stämmen gerecht – also nach dem jeweiligen Bedarf – aufgeteilt werden. Deshalb blieb in Israel immer das Bewusstsein wach, dass das Land kein endgültiger Besitz kein endgültiger Besitz von irgendjemandem auf der Welt ist, sondern eigentlich Gott gehört.
Im heutigen Evangelium (Lukas 12,13-21) wird Jesus gebeten, einen Erbstreit zu schlichten beziehungsweise die Interessen des unterlegenen Bruders zu vertreten. Vielleicht hatte er schon gehört, dass Jesus sich für Gerechtigkeit einsetzte. Da er sich als der Benachteiligte fühlte, erwartete er von Jesus, dass er seinen Bruder zum Teilen des Erbes auffordern sollte.
Wie reagiert Jesus auf die Anfrage, als Streitschlichter zu wirken? Er lässt sich überhaupt nicht darauf ein. Er weiß, egal, welchem der beiden Brüder er Recht gibt, es wird nicht funktionieren, solange nicht das beseitigt ist, was er als eigentliche Ursache des Streits erkannt hat: die Habgier.
Wie so häufig antwortet Jesus mit einem Gleichnis: von einem reichen Grundbesitzer, der eine gute Ernte erwartet. Er sieht, dass seine Lagermöglichkeiten nicht ausreichen und plant, neue zu bauen. Er tut eigentlich das, was wir als vernünftiges Wirtschaften ansehen würden. Aber Jesus betont in diesem Gleichnis einen anderen Aspekt: Der Reiche will weiter Schätze sammeln, Reichtum horten.
Für Jesus ist in diesem Moment wichtig: Das Leben ist endlich. Wer stirbt, wird von seinen Reichtümern nichts mitnehmen können. Im schlimmsten Fall werden sich die Nachkommen um sein Erbe streiten
Für Jesus besteht der wahre Reichtum im Teilen. Denen zu geben, die es nötig haben. Schon im Alten Testament gab es Mechanismen, um großen Reichtum und große Armut zu vermeiden. Wenn jemand wegen Schulden in Sklaverei geriet, musste er nach sieben Jahren wieder frei gelassen werden. Im sogenannten „Jobeljahr“ nach fünfzig Jahren sollte sogar erworbener Landbesitz wieder an seinen ursprünglichen Besitzer zurück fallen und Schulden erlassen werden. Diese Idee ist heute Grundlage von „Erlassjahr 2025“, einer Kampagne, die sich für eine faire Entschuldung der ärmsten Länder des Globalen Südens engagiert. Dabei soll die Rückzahlung von Schulden nur so weit erlassen werden, wie das gesparte Geld in Projekte für die arme Bevölkerung eingesetzt wird.
Hoffnung weitergeben
In der Bibel hat „Erben“ noch einen weiteren Aspekt: Wir alle sind Erben der Hoffnung. Dieser Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden, die Gott von Anfang an gegeben hat. Der verstorbene Papst Franziskus hat diese Hoffnung zum Motto des Heiligen Jahres gemacht. Wenn wir diese Hoffnung als unser Erbe verstehen, kann es darüber keinen Streit geben, denn sie wird größer, wenn wir sie weitergeben.
(Dr. Monika Bossung-Winkler)