Montag, 19. Mai 2025
„Ich komme mit Furcht und Zittern zu euch als ein Bruder“
Papst Leo XIV. am 18. Mai in Rom offiziell in sein Amt eingeführt
Seit zehn Tagen ist Yvonne Castillo überglücklich. „Ich habe in den letzten Jahren zweimal die Woche mit dem künftigen Papst gegessen - ohne es zu ahnen!“, sagte die Ordensfrau aus Santo Domingo in Peru und lachte. Am 18. Mai stand sie zusammen mit Freunden, Mitschwestern und Zehntausenden weiteren Menschen aus aller Welt auf dem Petersplatz, um Papst Leo XIV. zu feiern, der an diesem Tag offiziell in das Amt als Oberhaupt der 1,4 Milliarden Katholiken eingeführt wurde.
Robert Francis Prevost, der vor 69 Jahren in Chicago das Licht der Welt erblickte, hat auch einen peruanischen Pass, weil er dort lange Missionar und Bischof war. Außerdem war der erste US-Amerikaner im Papstamt oberster Chef des Augustinerordens und zuletzt ab 2023 Leiter der vatikanischen Bischofsbehörde. „Dienstags und freitags haben wir immer zusammen in unserer Ordenszentrale hier in Rom zu Mittag gegessen“, berichtete Schwester Yvonne, Mitglied der zu den Augustinern gehörenden Kongregation der Töchter des Heiligsten Erlösers.
„Ein schlichter, freundlicher Mensch“
„Er ist ein ganz schlichter, freundlicher Mensch, hat alle begrüßt, sich beim Essen nicht bedienen lassen. Anschließend haben wir dann immer noch zusammen einen Kaffee getrunken“, sagte die Ordensfrau, deren Gewand genauso weiß ist wie das des Papstes. „Und er hat auf unserem Platz Tennis gespielt!“ Die Partie, die der am 8. Mai gewählte Papst am 18. Mai zu bestreiten hatte, kostete den Mann mit der geübten Rückhand sichtlich mehr Mühe.
Nicht nur, weil auf der Tribüne Staats- und Regierungschefs aus aller Welt saßen, darunter Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella und Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Perus Präsidentin Dina Boluarte, US-Vizepräsident JD Vance und Außenminister Marco Rubio, ebenso der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sowie Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD).
Dabei hatte Leo XIV. das Publikum von Anfang an auf seiner Seite. Den mit einer Vielzahl hochsymbolischer Momente gespickten Tag begann er um neun Uhr mit einer Begrüßungstour im Papamobil. Applaus und „Viva il Papa“ ertönte, als der weiße Jeep auf den Petersplatz rollte. Leo winkte und grüßte lächelnd nach allen Seiten. „Er sieht so jung aus“, bemerkte Maria Carmela aus Palermo erfreut, die anlässlich des Pilgerevents Heiliges Jahr 2025 nach Rom gekommen war.
Segen für Baby Magdalena
Jubel brandete auf, als der neue Papst stoppen ließ, um die neun Monate alte Magdalena zu segnen, die ihm von Vater Michele über die Absperrung gereicht wurde. Schon um sechs Uhr hatte sich die Familie aus Ligurien auf den Petersplatz gestellt, um den Papst zu sehen.
Vielleicht hätte Leo auch gerne selbst am Steuer gesessen: Der neue Papst ist nicht nur bekannt als Hobby-Tennisspieler, sondern auch als leidenschaftlicher Autofahrer; zudem nutzt er seit Jahren Soziale Medien und geht ins Fitnessstudio. „Irgendwie ein normaler Typ“, meinte Leszek aus Krakau, der mit seiner Frau Viola eigens für die feierliche Amtseinführung nach Rom geflogen war. Aber ich glaube, er ist sehr spirituell und welterfahren. Das brauchen wir heute alles in der Kirche.“
Tränen eines ganz normalen Menschen
In der rund zweistündigen Messe, die mit ihrer Liturgie und feierlichen Gesängen in vielen Sprachen manchen Gänsehautmoment bescherte, erhielt Leo die wichtigen päpstlichen Insignien: den Fischerring und das wollene Band namens Pallium. Als ihm zwei Kardinäle die Symbole seiner schweren Aufgabe als Hirte einer versprengten Herde überreichten, hatte der „US-Peruaner“ Tränen in den Augen. Die Herzen der 200 000 Menschen auf und rund um den Petersplatz hatte er damit endgültig erobert. „Er ist einfach ein normaler Mensch“, sagte Dorothea aus Stuttgart. „Und mit seiner weltweiten Erfahrung ist er ein echter Global Player, der für Frieden steht“, ist die Pädagogin überzeugt.
Jay, Finanzmanager aus North Carolina, freute sich, dass Leo XIV. bei seinem ersten Auftritt als Papst die traditionelle Mozzetta getragen hatte, eine Art Pelerine, auf die Papst Franziskus stets verzichtete. „Die Kirche hat eine 2 000-jährige wunderschöne Tradition, die sollte man nicht einfach wegwerfen“, meint der Mann mit der bunten Krawatte - sichtlich stolz auf den Landsmann auf dem Stuhl Petri.
Einen der besonderen Momente markierte der Gehorsamsritus: Neun Männer und drei Frauen gelobten dem Papst stellvertretend für „das Volk Gottes“ Treue; darunter auch ein Ehepaar und zwei Jugendliche sowie die obersten Repräsentanten der Frauen- und Männerorden. Drei Kardinäle vertraten dabei Nord- und Südamerika sowie Ozeanien: Kardinal Frank Leo von Toronto, Kardinal Jaime Spengler von Porto Alegre in Brasilien und Kardinal John Ribat von Port Moresby in Papua-Neuguinea. Besonders herzliche Umarmungen gab es für einen Bischof und einen Priester aus Peru.
Auf Volk Gottes angewiesen
Dass er in seiner Amtsausübung auf das „Volk Gottes“ angewiesen ist, dürfte dem 267. Papst sehr bewusst sein. „Ich wurde ohne jegliches Verdienst ausgewählt und komme mit Furcht und Zittern zu euch als ein Bruder, der sich zum Diener eures Glaubens und eurer Freude machen und mit euch auf dem Weg der Liebe Gottes wandeln möchte, der möchte, dass wir alle eine einzige Familie sind“, bekannte er in seiner gut zehnminütigen Predigt, die mehrfach von Beifall unterbrochen wurde.
Er sprach von „zu viel Zwietracht, zu vielen Wunden, die durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem Anderen und durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt“. Und beschwörte Einheit, Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit. „Schaut auf Christus!“, rief er. „Hört auf sein Angebot der Liebe, damit ihr zu seiner einen Familie werdet: In dem einen Christus sind wir eins.“ Unter den Augen von Hunderten Mächtigen der Welt auf den Tribünen am Petersdom appellierte er an alle Menschen, sich gemeinsam auf den Weg zu machen, um eine neue friedliche Welt aufzubauen. Beifall für Gedanken, die auch von seinem Vorgänger Franziskus geprägt waren.
Pünktlich um zwölf Uhr sprach Leo dann das Mittagsgebet, erinnerte an die leidenden Menschen im Gazastreifen und an die „gequälte Ukraine“, die darauf warte, dass es endlich Friedensverhandlungen gebe. Dabei übernahm er sogar die Diktion seines Vorgängers. Zum abschließenden „Regina Coeli“ erhob er erneut seine Stimme. Denn trotz seiner sichtlichen Rührung ist Leo XIV. in der Lage, den Ton zu treffen. Nicht nur beim Singen. (Sabine Kleyboldt, kna)